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baut hatte, um dem geeinigten Reiche auch einen religiösen Mittelpunkt
zu geben, so bestimmte Jerobeam deir Tempel in Bethel zum Zentral
heiligtum, um die Israeliten auch religiös von Juda und dem Zion
loszureißen. Und während David gerade die Lewitett von Silo nach
dein Zion gezogen hatte, hat Jerobeam ofsenbar die Lewiten aus Bethel
völlig beseitigt und andere Priestersippen an diesen königlichen Tempel
gebracht. Dainit war der Gegensatz der Lewiten gegen die königlichen
Priester tnid weiterhin' gegen den ganzen königlichen Kultus gegeben.
Das -erste Denkmal dieser Opposition der Lewiten ist der sogenannte
„Segen des Mose", dessen Segensspruch über Lewi die Ansprüche dieser
Priester erkennen lehrt, und auch den Haß, mit dein sie ihre Gegner
bedachten, sie allein wollen es sein, die den Jahwe lvirklich kennen
und feine Opferbräuche wirklich bewahren. Aber sie beanspruchen auch
in weltlichen Dingen die Führung: sie wollen die Träger auch der
Rechtsordnung sein. Für alles das berufen sie sich auf den Brmd, den
Jahwe mit ihrem Ahnherrn und Heros Mose geschlossen habe.
Wie dieser „Bund" ursprünglich aussah, und was er ursprünglich
enthielt, konnten wir noch cur der ältesten Form studieren, in der wir
die Zehn Gebote kennen. Sie opponieren gegen deir Kultus, wie er
an den königlichen Tempeln im Bauernvolk Israel iiblich wär, ver
werfen das Stierbild und fordern den alten, bildlosen Jahwe-Kultus
der Wüste. Aber sie haben auch sich selbst, ihren Einfluß und ihre
Einkünfte, nicht vergessen: sie steigern die Anforderungen an die
frommen Leistungen des Volkes. Dreimal, statt lvie in Wirklichkeit
üblich, einmal im Jahr sollten die Männer die häusliche Arbeit verlassen
und mit Abgaben zum Heiligtum kommen. Das Passahfest soll seinen
alten, düsteren Charakter aus der Wüstenzeit nicht verlieren.
Läßt schon dieses älteste uns erhaltene Lewiten-Progrämm erkennen,
wie diese Priester gerade durch die "bewußte Hervorlehstüng eines alt»
väterischen, an die nomadische Zeit erinnernden Kultus Eindruck zn
machen versuchten, so geht das noch schärfer aus jener anderen Formu
lierung hervor, die das Lewiten-Programm später erhielt: Ablehnung
jedes irgendwie künstlerisch gestalteten Altars laus Erde oder aus un-
behauenen Steinen soll der Lewiten-Altar sein!), Verwerfung jeder Art
von Gottesbildern, damit Ablehnung aller Kunst in der Religion! Tie
Herausbildung einer altertümelnden Einfachheit der Gottesvcrehrung
ist bewußte Absicht in diesen Programmen.
Es liegt auf der Hand, wie nahe sich diese Kultusbcwegung mit
den religiösen Gedanken berührte, die in derselben Zeit durch die
unteren Klassen gingen. Die Ablehnung des Stierbildes, die Wieder
auffrischung der Erinnerung an den Wüstengott und die Verwerfung
alles neumodischen Lupus im Gottesdienst mußten den unteren Klassen
wie eine Darstellung ihres eigenen, das Hirtenleben verherrlichenden
Ideals erscheinen. Dazu kam die gemeinsame Opposition gegen die
herrschenden Gewalten, die teilweise wohl recht ärmliche und unan
gesehene Stellung der Lewiten und dir Tatsache, daß sie gegenüber den
grundbesitzenden Vollbürgern ebensowenig Rechte besaßen wie die ihres
Besitzes verlustig gegangenen Bauern. Der Gedanke, daß sie unter
einander dasselbe Interesse und dieselben Ziele besäßen, mußte für beide
Teile gleich naheliegen.
Das erste Denkmal, in dem diese Interessengemeinschaft sich einen
Ausdrulck schuf, war wohl die Erweiterung der Sage vom wunderbaren
Auszug aus Aegypten, wonach Mose, der Heros der lewitischen Priester,
Zugleich der Führer des Volkes aus Aegypten gewesen sein sollte. Ur