Full text: Die Propheten (6)

sprünglich war seine Gestalt dieser Geschichte vollkommen fremd gewesen. 
Die ältesten Mose-Legendeir haften an Kades und nicht an Aegypten. 
Dan» hat aber doch die lewitische Unidichtnng der Anszngsage die ganze 
spätere Darstellung bestimmt, ein Zeichen, wie stark schon am Ende 
des nennten Jahrhunderts der Einfluß der Lewiten in diesen Kreisen 
gewesen sein Muß. 
Dann aber hat das Bündnis von Lewiten und Proletariern seinen 
stärksten Ausdruck in den sozialen Forderungen gefunden, die dem Le- 
witen-Progrannn eingefügt worden sind. Freilich hat es sich hier nicht 
um rechtliche Reformen gehandelt, die die Priester für ihre Bundes 
genossen gefordert hätten: au den Rechtsordnungen haben sie gar nichts 
geändert! Aber sie haben moralische Gedanken formuliert, die die 
Last der Armen erleichtern sollten: Achtung des Fremdlings (sie selbst 
waren ja Fremdlinge, das heißt rechtlose Beisassen), Milde gegen den 
Schuldner, den Tagelöhner und Sklaven, den Ertrag des SabbaHahres 
für die Armei: und anderes mehr. Und sie haben hinter all diese'Sätze 
die Furcht als Motiv gesetzt: der Arme wird zu Jahwe schreien, und der 
wird ihn hören! Sie haben damit den Gedanken weitergesponnen, 
von dein aus schon Elia den Mut zu seinem Fluch gegen deil König ge 
funden hatte. Den Gegner sittlich erschüttern, sei» eigenes Gewissen 
als Buiidesgenossrn aufrufen, ihm, wenn keine irdischen Mittel mehr 
helfen, die Rache des deii Armen schützenden Gottes drohen: das,ist zu 
allen Zeiten die letzte Waffe im Kampf um die Macht gewesen, die die 
Besitzlosen angewendet haben, wenn alle anderen Mittel versagten. 
Aber die Priester haben doch von Anfang an die natürlichen In 
stinkte der Armen verfälscht. Dieselbe Formulierung des Lewiten-Pro 
gramms, die diese soziale Eriveiternng zeigt, hat den Schlußgedanke», 
Paß die Befolgung des richtigen Kultus das Mittel sei, um Jahwes 
Segen zu erlangen. Gehorsam sein, auf die Worte dieses Programms 
hören: und dann wird Rahrnng, Gesundheit, Fruchtbarkeit, hohes Alter 
und politische Macht von selber kommen! In dem schreienden Elend 
der unteren Klassen iind den traurigen Nöten der Aramaerkriege innß 
das den unteren Klassen geradezu so geklungen haben, als wollte man 
sagen: dies Unglück ist um: gekommen, weil die Herrschenden die rich 
tigen Bahnen Jahives verließen. Sobald nur der Kultus wiederher 
gestellt ist, wird auch die Not und das Elend zu Ende sein! Es war ein 
Gedanke, der von nun an in tausendfacher Mederholung die jüdische 
Religion bis zu ihrem Ende durchziehen sollte. 
Der Iahwist. 
Die lewiÄschen Priester halten so zwar die Verbindung mit den 
unteren Klassen gefunden; aber sie haben zunächst noch nicht darauf 
verzichtet, auch in den anderen Schichten des Volkes für ihre Gedanken 
Propaganda zu machen. Sie glaubten Wohl noch nicht an den endgültigen 
Bruch, sondern hielten an der Möglichkeit fest, durch langsame Pro 
paganda schließlich doch eine ihren Absichten entsprechende Reform des 
Kultus zu erzielen. Nur aus solcher Absicht der stillen Beeinflussung 
der allgemeinen Meinung ist die rege literarische Tätigkeit zu ver 
stehen, die sie um die Wende des neunten zum achten Jahrhundert ent 
faltet haben, und deren Ertrag uns in den beiden großen Geschichts 
oder besser Sagensammlnpgen vorliegt, die uns in den früheren Unter 
suchungen so oft begegnet sind, und die auch wir aus Ermangelung eines 
besseren Namens Iahwist und Elohist genannt haben.
	        
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