Spruch." (Amos 6, 14.) Und nicht nur Israel allein. „Jahwe brüllt
vom Zion her und aus Jerusalem läßt er seine Stimme erschallen", um
auch allen anderen umwohnenden Völkern das Gericht zu verkünden:
Phönizier, Philister, Edomiter, Moabiter und Nmmoniter sollen gleich
mäßig unter dem Anprall der Assyrer vernichtet werden. (Ainos 1 u. 2.)
Die herrschenden Klassen sahen zu dieser Zeit, wie wenigstens
Amos meinte, das drohende Unglück noch nicht. Sie jubelten über
einige kleinere Siege, die Jerobeam eben gegen Damaskus erfochten
hatte; sie meinten, der „Tag Jahwes", der Tag des endgültigen Sieges
Jahwes über die umwohnenden Völker, sei nun nicht mehr fern. Aber
Amos sah tiefer. Der proletarische Haß gegen die ganze verrottete Ge
sellschaft der herrschenden Klassen hatte ihm das Auge geschärft. Und
er konnte das drohende Unglück nur im Lichte der Oppositionsstimmnng
sehen, die seit einem Jahrhundert mit steigender Kraft seine Kreise er
faßt hatte. „Wehe denen, die den „Tag Jahwes" herbeiwünschen! Was
soll euch doch der Tag Jahwes? Er ist Finsternis und nicht Licht.
Ja, Finsternis ist der Tag Jahwes, und nicht Licht, dunkel und glanz
los." (Amos 5, 18—20.) Es ist der Tag, an dem Jahwe die Frevel
der Israeliten durch ihre Vernichtung bestraft.
Auch die Proletarische Religion hatte bisher einen solchen Tag
Jahwes als den Tag der Erlösung gekannt, an dem die Rot und der
Druck der Gegenwart gehoben sein werden, und an dem das selige Leben
in Glanz und Fülle beginnt. Alle Geduld und alles gehorsame Warten,
das schon der Joseph-Roman den Proletariern gepredigt hatte, hat doch
darin seine Ergänzung, daß Jahwe selbst aus eigener Kraft schließlich
das Unglück wenden werde. So hatte auch der Elia-Dichter von den
7000 gesprochen, die aus denr großen Gericht über Ahab gerettet hervor
gehen sollten. Ohne eine solche Ergänzung durch die Hoffnung ans
eine Erlösung lväre die proletarische Religion sinnlos gewesen. Auch
Amos muß sie gekannt haben. Aber ausgesprochen hat er sie nicht. Die
Erlösung, die er allein kennt, ist die Rache Jahwes an diesem ganzen
Volke, die Vergeltung für das, was sie den Armen getan haben. Was
dabei ans den Armen selbst wird, darüber bat er offenbar noch nicht
weiter nachgedacht, sein ganzes Gefühl ist nur Wut und Empörung
über das, >vas den Armen in Israel angetan ward.
Darüber hat er in immer neuen Wendungen und mit immer
neuen Beispieleil gesprochen. Sie verkaufen den Armen in Sklaverei
wegen eines Paares schuhe. Sie zertreten das Haupt der Geringen,
und den Bedrückten stoßen sie tu den Abgrund. Sie pfänden ihm das
letzte Gewand ab und schmücken damit die Altäre. Sie nehmen ihm
seinen Wein als Gerichtsbuße und verschlemmen ihn im Tempel Jahwes.
(Amos 2, 6—8.) Sie häufen Schätze ans Frevel und Gewalttat in ihren
Palästen; daher ist Samaria Voll Getümmel und Unterdrückung. (3,
7—11.) sie geben im Gericht nichts auf Recht oder Beweise; sie Ver
kehren in Wermut das Recht, und die Gerechtigkeit werfen sie zu Boden.
Sie nehmen Geschenke und geben den Schuldlosen in die Hand feines
Feindes. Der Arme wird im Gericht unterdrückt! (5, 7 11.) Sie
können's kaum erwarten, bis Neumond oder Sabbat vorüber sind, um
den Armen beim Kornkauf zu betrügen; sie machen das Maß klein und
die Preise groß; sie fälschen betrügerisch die Wage. „Soll darüber nicht
die Erde erzittern und alle ihre Bewohner in Trauer geraten? Soll
sie sich nicht heben und senken, wie der Nil in Aegypten?" (8, i—i0.)
Auch das Erdbeben also wird als Zeichen für das Entsetzen Jahwes
über die Schandtaten seines Volkes genommen.