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Man braucht die Sätze nur unvoreingenonrWn zu lesen, um den
weltweiten Unterschied zu ermessen, der zwischen Ainos und Hosea
klafft. Aus Ainos spricht der Prophet, dessen innerste 'prophetische
Glut dem Selbsterhaltungstrieb des Proletariers entspringt. Hosea
ist der Priester, der ans Wiederherstellung des „richtigen" Kultus klagt..
Jener Abfall Israels zu den Baalen ist ja nichts anderes als das
dauernde Fortleben der altkanaanätschen Gottesnamen in der Liturgie
der verschiedenen Heiligtümer. Die Forderung, daß man Jahwe und
nicht den Baalen für Weizen, Most und Oel 31t danken habe, ist nichts^
als jenes alte Lewiten-Programm, daß der Israelit keine Namen anderer
Götter neben Jahwes Namen stellen solle. Das ganze Verbrechen, das
Jahwe mit Verbannung bestraft, ist ein falscher Kultus, anders gesagt^
ist die Verdrängung der Lewiten von den Hauptaltären iiu Lande, ist die
Tatsache, daß andere Priester statt ihrer „sich von des Volkes Sünde
ernähren und darum seine Verschuldung nur immer ärger zu machen
suchen". (4, 8.)
Hosea kennt auch noch andere Beispiele des Abfalls von Jahwe'
aber alle laufen auf diesen selben Priestergedanken hinaus. Er spottet
über das „Kalb" von Bethel ganz wie der Elohist: „Aus Israel stammt
es; ein Handwerker hat es gemacht; nicht ist es ein Gott." (8, 6.) Er
höhnt die Israeliten ob dieses Götzenbildes: „Opfernde Menschen küssen
Kälber (13, 2); sie befragen Holz und Stock um ein Orakel." (4, i3.)
In dem allen zeigt er sich auf der Höhe, die schon der Elohist und der
große Elia-Dichter erklommen hatten. Aber er bleibt doch in den Formen
der Gottesverehrung hangen und dringt nicht, wie Amös, zum Wesen
der neuen Gottesvorstellung durch.
In einem Gedanken bietet er etwas Neues, was wir bisher noch
nicht fanden. Auch König, Staat und Politik erscheinen als Abfall von
Jahwe! „Seit den Tagen von Gibea sündigst du; dort tratest du wider
mich als Frevler auf." (10, 9.) Dieser „Tag von Gibea" aber ist eben die
Versammlung, in der Saul zum König gewählt worden sein sollte.
„Wo ist denn dein König, daß er dir helfe? Wo alle deine Fürsten, daß
sie dir Sieg schaffen? Der du gesagt hast: Gib nur Könige und Fürsten!
Ich gebe dir Könige in meinem Zorn und nehme sie in meinem Grimm."
(13, 9—11.) Die Sätze gehen auf die bekannte Geschichte, wo Israel den
Samuel bat, daß er dem Volke einen König gebe, und wo Jahwe zu
Samuel sprach: „Sie haben mich und nicht dich verworfen." (i. Sa-
muelis 15.) Diese Erzählung muß zu Hoseas Zeit schon bestanden
haben. Daß sie der alten und echten lleberliefernng fremd war, geht
aus dem hervor, was diese Ueberlieferung von Saul tatsächlich erzählt
hat. Sie inag im Kreise der königfeindlichen Priester im letzten Jahr
hundert vor Hosea entstanden sein. Auch sie zeigt, zu welch schroffem
Bruch die Gegensätze sich allmählich zugespitzt hatten. Der Priester be
ansprucht die ganze Herrschaft, Verwaltung und Rechtsprechung für sich
allein. Der Priester-König Samuel ist sein Ideal. Der ganze wirk
liche Staat ist ihm nur Abfall vom Glauben an Gott.
Hosea wendet diesen Gedanken auch an auf die aktuelle Politik
seiner Zeit. Angesichts der Gefahr, die seitens der Assyrer drohte, hatte
736 der israelitische König vorgezogen, sich ihnen als Bundesgenossen
zuzugesellen, um so ihren Schutz zu gewinnen. Das nennt Hosea Ver
letzung der Treue gegen Jahwe, Flucht vor dem Gericht, das Jahwe
ihnen angedroht hat. Und er weissagt ihnen, daß schon, indem sie hin
gehen, Jahwe sie packen wird: auch der König von Assur wird dem
Löwen die einmal ergriffene Beute nicht mehr entreißen können.