Full text: Die Propheten (6)

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Man braucht die Sätze nur unvoreingenonrWn zu lesen, um den 
weltweiten Unterschied zu ermessen, der zwischen Ainos und Hosea 
klafft. Aus Ainos spricht der Prophet, dessen innerste 'prophetische 
Glut dem Selbsterhaltungstrieb des Proletariers entspringt. Hosea 
ist der Priester, der ans Wiederherstellung des „richtigen" Kultus klagt.. 
Jener Abfall Israels zu den Baalen ist ja nichts anderes als das 
dauernde Fortleben der altkanaanätschen Gottesnamen in der Liturgie 
der verschiedenen Heiligtümer. Die Forderung, daß man Jahwe und 
nicht den Baalen für Weizen, Most und Oel 31t danken habe, ist nichts^ 
als jenes alte Lewiten-Programm, daß der Israelit keine Namen anderer 
Götter neben Jahwes Namen stellen solle. Das ganze Verbrechen, das 
Jahwe mit Verbannung bestraft, ist ein falscher Kultus, anders gesagt^ 
ist die Verdrängung der Lewiten von den Hauptaltären iiu Lande, ist die 
Tatsache, daß andere Priester statt ihrer „sich von des Volkes Sünde 
ernähren und darum seine Verschuldung nur immer ärger zu machen 
suchen". (4, 8.) 
Hosea kennt auch noch andere Beispiele des Abfalls von Jahwe' 
aber alle laufen auf diesen selben Priestergedanken hinaus. Er spottet 
über das „Kalb" von Bethel ganz wie der Elohist: „Aus Israel stammt 
es; ein Handwerker hat es gemacht; nicht ist es ein Gott." (8, 6.) Er 
höhnt die Israeliten ob dieses Götzenbildes: „Opfernde Menschen küssen 
Kälber (13, 2); sie befragen Holz und Stock um ein Orakel." (4, i3.) 
In dem allen zeigt er sich auf der Höhe, die schon der Elohist und der 
große Elia-Dichter erklommen hatten. Aber er bleibt doch in den Formen 
der Gottesverehrung hangen und dringt nicht, wie Amös, zum Wesen 
der neuen Gottesvorstellung durch. 
In einem Gedanken bietet er etwas Neues, was wir bisher noch 
nicht fanden. Auch König, Staat und Politik erscheinen als Abfall von 
Jahwe! „Seit den Tagen von Gibea sündigst du; dort tratest du wider 
mich als Frevler auf." (10, 9.) Dieser „Tag von Gibea" aber ist eben die 
Versammlung, in der Saul zum König gewählt worden sein sollte. 
„Wo ist denn dein König, daß er dir helfe? Wo alle deine Fürsten, daß 
sie dir Sieg schaffen? Der du gesagt hast: Gib nur Könige und Fürsten! 
Ich gebe dir Könige in meinem Zorn und nehme sie in meinem Grimm." 
(13, 9—11.) Die Sätze gehen auf die bekannte Geschichte, wo Israel den 
Samuel bat, daß er dem Volke einen König gebe, und wo Jahwe zu 
Samuel sprach: „Sie haben mich und nicht dich verworfen." (i. Sa- 
muelis 15.) Diese Erzählung muß zu Hoseas Zeit schon bestanden 
haben. Daß sie der alten und echten lleberliefernng fremd war, geht 
aus dem hervor, was diese Ueberlieferung von Saul tatsächlich erzählt 
hat. Sie inag im Kreise der königfeindlichen Priester im letzten Jahr 
hundert vor Hosea entstanden sein. Auch sie zeigt, zu welch schroffem 
Bruch die Gegensätze sich allmählich zugespitzt hatten. Der Priester be 
ansprucht die ganze Herrschaft, Verwaltung und Rechtsprechung für sich 
allein. Der Priester-König Samuel ist sein Ideal. Der ganze wirk 
liche Staat ist ihm nur Abfall vom Glauben an Gott. 
Hosea wendet diesen Gedanken auch an auf die aktuelle Politik 
seiner Zeit. Angesichts der Gefahr, die seitens der Assyrer drohte, hatte 
736 der israelitische König vorgezogen, sich ihnen als Bundesgenossen 
zuzugesellen, um so ihren Schutz zu gewinnen. Das nennt Hosea Ver 
letzung der Treue gegen Jahwe, Flucht vor dem Gericht, das Jahwe 
ihnen angedroht hat. Und er weissagt ihnen, daß schon, indem sie hin 
gehen, Jahwe sie packen wird: auch der König von Assur wird dem 
Löwen die einmal ergriffene Beute nicht mehr entreißen können.
	        
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