Full text: Die Propheten (6)

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danken der Gemeinde geworden. Der Zion, der Jahwetempel und 
die Königsbnrg Davids gelten als die Stelle, von wo einst die selige 
Menschheit regiert werden wird. Und der König ans Davids Geschlecht 
wird sie leiten. So schlug sich die große Wendung, die die Weissagung 
des Jesaja noch in der Neige seines Lebens genoinmen hatte, in seinen 
oder seiner Gemeinde Dichtungen nieder. 
Die Priester. 
Blicken wir aus Jesajas ganzes Leben zurück, so müssen wir sagen: 
cs war nur voll Illusion! Keiner hat so wie er gerade die phantastischen 
Gedanken der proletarischen Bewegung ergriffen und hat ihre wirklich 
keitsfremden, übernatürlichen Züge herausgearbeitet. Und doch war 
er ehrlicher als Hosea. Er hat den sozialen Instinkt so ausgesprochen, 
wie er ihn fand, und hat nach in seinen letzten Tagen die soziale Er 
lösung, „Gerechtigkeit und Friede", als den Kern seiner Hoffnungen 
geschildert. Voin richtigen Kultus findet sich in diesen Zukunftsgedichtcn 
kauni ein einziges Wort. So hat er trotz aller Wirklichkeitsferne den 
großen Gehalt der neuen Religion, die Selbstachtung des Verarmten, 
doch ungleich viel treuer bewahrt als sein Vorgänger, der nach Form 
irnd Inhalt so großen Einfluß auf ihn gewonnen hatte. 
Aber er hatte der volkstiimlich-judäischen Vorstellung vom Wohnen 
Jahwes auf dein Zion in die Gedanken der neuen Religion Eingang 
verschafft und damit der altjudäischen Denkweise auch in der GemeiMe 
neue Nahrung gegeben. Und daniit war die. Brücke gegeben, auf der 
nach einiger Zeit auch ihm wieder der Priester zu folgen vermochte, 
und nun zu endgültigem Sieg. 
Ueber die nächsten siebzig bis achtzig Jahre wissen wir aus dem 
Leben des judäischen Volkes so gut wie nichts. Man war Vasall der 
Assyrer, hatte hohen Tribut zu zahlen und mag alle Hände voll zu. 
tun gehabt haben, die zertretenen und verwüsteten Felder und Gärten 
neu zu bepflanzen. Es war eine Zeit ohne politische Taten und ohne 
literarisches Erzeugnis, wohl auch wirtschaftlich arm, müde und matt. 
In dieser Zeit ist die Gemeinde — sehr zahlreich kann sie noch 
immer nicht gewesen sein — in stiller Fortbildung auf dem Wege ge 
blieben, den sie unter Jesaja beschritten hatte. Wir wissen, daß in dieser 
Zeit die endgültige Form der Zehn Gebote entstanden sein muß, die 
unsere Kirchen noch heute im Jugendunterricht brauchen, und daß sie 
offenbar schon damals dem Unterricht der Jugend dienten, Den Kultus 
im Tempel machte die Gemeinde selbstverständlich mit: ein besonderer 
Kampf um beit rechten Kultus war seit der Anerkennung des Zion 
als Jahwes Wohnung nicht mehr am Platze. Nur die fremden Götter 
mußten energischer als früher abgewehrt werden. Im übrigen treten 
die allgemein-sittlichen Gebote naturgemäß stärker hervor. Es lag in 
der Linie der ganzen Entwickelung, daß die. Religion, zur Charakter 
bildung und zum sittlichen Erziehungsmittel der Jugend wurde. Dir 
Herkunft aus der sozialen Bewegung verraten, wie wir sahen, die Zehn 
Gebote in jedem Wort. 
Lärmender ging die Bewegung in den oberen Klassen und in der 
Volksmassc vor sich. Das Unglück, das man erlebt hatte, und die 
bleierne Schwüle der Gegenwart belebten überall bei den Bauern 
die halbausgestorbenen Kulte der Götter des Landes. Dem Melech 
wurden Kinderopfer gebracht, die Baale wurden auf jedem Hügel und 
unter jedem grünen Baum mit Feldopfern und betäubender WollnD
	        
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