Full text: Die Propheten (6)

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mehr. Sie haben sie Leim auch gründlich verraten. Die Lewiten wurden 
vom Priestertum ferngehalten und in der Folge zu Tempeldienern 
herabgedrückt. Und an die Freilassung der judäischen Sklaven im 
jeweils siebenten Jahr hat dreißig Jahre hindurch nach dem Zeugnis 
des Jeremia kein Mensch gedacht. 
Eins aber muß man den Priestern des Zion lassen: sie haben 
durch ihre Reform das Nationalgefühl des Volkes noch einmal zu un 
geheuerer Energie entflammt! Freilich haben sie damit tatsächlich nur 
den Untergang des Staates und die Verpflanzung oder Flucht des 
beträchtlichsten Teils der Judäer erreicht. Trotzdem bleibt es ein 
sympathisches Bild, daß dieser winzig kleine Gebirgsstaat in der 
nivellierenden Kultur der Weltstaaten nicht nntergehen wollte. Es gibt 
geschichtliche Momente, wo der Fortschritt darin besteht, daß ein Welt 
reich die Nationalstaaten zertritt, und wo doch alle persönliche Größe bei 
den untergehenden Kämpfern für die nationaleSelbständigkeit liegt. De 
mosthenes in Athen gegenüber Philipp von Makedonien; die Buren 
republik gegenüber dem englischen Weltreich im Anfang dieses Jahr 
hunderts. Manche Erscheinung aus dem letzten Menschenalter des ju- 
däischen Staates erinnert an solche. Momente. 
Untergang des judäischen Staates. 
Gegen Ende des siebenten Jahrhunderts brach die assyrische Macht 
in sich selber zusammen. Unter chaldäischer Führung erhob sich da? 
alte Babylon zu neuer Größe. Den Moment, wo das eine Weltreich 
schon tot, und das andere noch schwach war, benutzte Aegypten, um 
die solange verlorene Vorherrschaft in Vorderasien wiederzugewinnen. 
Da trat ihm der König von Juda in den Weg. Die Kultusreform 
hatte ihn und sein Volk mutig gemacht. Seit sie Jahwes Verheißung 
int Heiligen Buche schwarz auf weiß vor sich hatten, seit sie gewiß waren, 
den richtigen, von Mose selbst offenbarten Kultus zu üben, waren sie 
sicher, daß Jahwes Schutz ihnen nicht fehlen konnte. Natürlich siegten 
die Aegypter; der König verlor sein Leben; sein Sohn ward tribut 
pflichtiger Vasall des Königs von Aegypten. (608 vor Christus.) 
Vier Jahre später unterlag Aegypten dem neuen babylonischen 
Reich. Mit den übrigen Vasallenstaaten wechselte auch Juda den Herrn. 
Aber der Freiheitsgeist war in dem mutigen Bergvölkchen noch nicht 
erstickt. Wenige Jahre später empörte es sich. Der babylonische König 
Nebukadnezar erschien persönlich an der «spitze eines gewaltigen Heeres. 
Natürlich unterlag das kleine Volk. Der König Jechonja übergab die 
Stadt, bevor sie erstürmt wurde, Er selbst, sein ganzer Hofhält, der 
ganze Adel und alle wehrfähigen Männer — es waren etwa acht 
tausend— wurden nach Babylonien transportiert. Der Rest des Volkes 
sollte, unter Zedekia als König, babylonischer Vasallenstaat tu seiner 
Heimat bleiben. (597 vor Christus.) 
Aber wieder durchbrach die Freiheitsliebe, durch die religiöse Sicher 
heit unterstützt, alle Dämme der Üeberlegung und der Vernunft. Jahwes 
Tempel, Jahwes Heiliger Berg konnten nicht untergehen; Jahwe müßte 
sich erheben und sein verpflanztes Volk befreien. In Jerusalem sprangen 
Propheten aus, von Babylonien aus schürten die rückkehr-sehnsüchtigen 
Verpflanzten. Es kam 31t einem Bündnis mit allen benachbarten 
kleineren Staaten und mit Aegypten. Und wieder siegte die babylonische 
Weltmacht. Fast zwei Jahre hielt Jerusalem stand. Die Wut der 
Verteidiger war aufs höchste entflammt. Sie drohten Tod jedem, der
	        
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