Vorgeschichte
Das vorkanaanäische Israel.
Etwa im Jahre 1230 vor Christus hat ei» ägyptischer König in
Kanaan einen großen Sieg gewonnen und alle kanaanäischen Stadt
könige und Völkerschaften seiner Herrschaft unterworfen. In der Ur
kunde, die diesen Sieg verherrlicht, wird zum ersten Male auch Israel
als ein in Kanaan lebender Volksstamm genannt: es lebte, so scheint
es, aus dem Gebiete Ephraim westlich des Jordan, ohne feste An
siedelungen, als wandernder Hirtenstamm neben den Bauern der
kanaanäischen Städte. Sein Gebiet ist bei dieser Gelegenheit voll
ständig verwüstet worden.
Das ist die älteste Tatsache aus der israelitischen Geschichte, die
uns urkundlich überliefert ist. Alles, was der Staunn Israel von seiner
Entstehung an bis zu dieser Zeit erlebt haben mag, können wir nur aus
Rückschlüssen aus seiner späteren Geschichte erschließen: direkt über
liefert ist darüber nichts.
Die Israeliten haben sich in späterer Zeit Ausländern gegenüber
gelegentlich als Hebräer bezeichnet. Daraus dürfen wir schließen, daß
der Bedninenstamm Israel ein Teil jener größeren Gruppe von
Wüstenstämmen war, die vor 1400 vor Christus iu Kanaan ein
gedrungen waren, und die die Aegypter Chabiri nannten. Sie er
scheinen als Bundesgenossen der kanaanäischen Stadtkönige und der
jenigen ägyptischen Gouverneure, die danach trachteten, sich von der
ägyptischen Herrschaft möglichst unabhängig zu machen. Von ihnen in
Sold genommen, im ewigen Kleinkrieg reiche Gelegenheit zu Raub und
Beute findend, fühlten sie sich veranlaßt, dauernd im Kulturland zu
bleiben.
Vor dieser Chabiri-Wandernng nach Kanaan muß der Beduinen
stamm Israel eine lange Zeit in der arabischen Wüste gezeltet haben
und zwar in der Nachbarschaft eines heute unbekannten Vulkanberges
im nordwestlichen Arabien, namens Sinai. Ja, man darf annehmen,
daß der Stamm in dieser Gegeird überhaupt erstmals entstand: denn
als Gott des Stammes hat er Allezeit dasjenige Wesen verehrt, das
ursprünglich der Lokalgott des SinaiberMs gewesen sein muß. Ent
stehung des Stammes und Annahme des Lokalgottes zum Stammgott
sind aber zwei Vorgänge, die ihrer Natur nach zusammengehören.
Israel war ursprünglich nicht der einzige Stamm, der den Jahwe
vom Sinai zu seinem Stammgott gemacht hatte. Es muß in der Zeit
vor der Chabiri-Wanderung eine ganze Anzahl von Stämmen gegeben
haben, die gemeinsam am Sinai zelteten und in der gemeinsamen Ver
ehrung des Gottes, der hier heimisch war, ein Bindemittel besaßen.
Aber gerade durch die Chabiri-Wanderung wurden sie auseinandcr-
gerissen. Midian blieb in der Wüste, Israel kam nach Kanaan, Edom
auf das Gebirge südlich des Toten Meeres; Juda wurde ganz zer
sprengt: ein Teil zog mit den Aramäern nach Norden und vergaß