Full text: Die Propheten (6)

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Jahwe und die Wüste, ein anderer ward in die Wüste südlich von 
Kanaan abgedrängt, wo er einige Jahrhunderte später eine neue Ge 
meinschaft von Jahwe-Stämmen in der Oase Kodes führte. Auf 
anderen Wegen als Israel und etwa drei bis vier Jahrhunderte später 
ist dann auch Juda vom Süden her in Kanaan eingedrungen. 
Welche Zeitdauer für diese Entwickelungen anzusetzen ist, ob Jahr 
zehnte, Jahrhunderte oder gar ein Jahrtausend, vermögen wir nicht 
zu sagen. Sicher ist nur, daß Israel, auch nachdem es den Boden des 
Kulturlandes dauernd besetzt hatte, zunächst noch auf anderthalb bis 
zwei Jahrhunderte hin nicht zur festen Seßhaftigkeit übergegangen ist, 
sondern als schweifender Hirtenstamm im Gebirge lebte. Erst durch 
den ägyptischen Sieg etwa im Jahre 1230, so scheint es, ist ihm die Fort 
führung dieses Lebens unmöglich gemacht worden: die Znsammen- 
drängung auf ein enges Gebiet zwang es, zu intensiverer Ackerarbeit 
und damit zur Siedelung überzugehen. 
Damit war der Anstoß zu einer Uniwandlung im israelitischen 
Gottesglauben gegeben, der für die ganze Zukunft dieser Religion 
grundlegende Bedeutung gewinnen sollte. 
Der vorkanaanäische Jahwe. 
Der Jahwe von Sinai ist unendlich viel älter als das Volk, das 
ihn zu weltgeschichtlicher Bedeutung gebracht hat. Entstanden ist er 
aus der Anschauung der Vulkanflamme oder der Wolke, die über dem 
Vulkanberg lagert. Die Auffassung einer solchen Naturerscheinung 
als eines lebendeir Wesens von unheimlicher und übermenschlicher Kraft 
führt bis in die Urzeit des menschlichen Geisteslebens überhaupt 
zurück. Auch der Name Jahwe beweist, daß die Leute, die ihn zuerst 
gebildet, zwar schon semitisch, aber noch nicht hebräisch gesprochen haben. 
Für seine ältesten Verehrer ist Jahwe, wie sein Name zeigt, nicht 
mehr als der Geist der Vnlkanflamine gewesen, die auf dein Berge 
Sinai raucht, und die den ganzen Berg zur Heiligen Stätte stempelt. 
Aber schon lange vor der Zeit, da der Beduinenstannn Israel an diesem 
Berge entstand, müssest hier Menschen gewohnt haben, die mit dem 
babylonischen Kulturland Fühlung hatten. Sie schufen den Nanren 
des Berges, den man seitdem allein kannte: Sinai, die Stätte des Sin, 
des Mondgottes, der im Altbabylonien zeitweise als Gott alles Lebens 
verehrt worden war. Und mit dem Namen siedelte auch der Kultus des 
Mondgottes nach dem arabischen Berge über: der Neumondtag und der 
Sabbat als der heilige Tag der vier Formen der Mondwende im Laufe 
eines Monats wurden seitdem heilige Tage auch für den Dienst des 
Jahwe am Sinai. Als solche, nicht als Tage des Mondgottes, hat 
Israel sie gleichzeitig mit dem Jahwe-Glauben überhaupt übernommen. 
Der Jahwe, deit die israelitischen Beduinen am Vulkanberg ver 
ehrten, war mehr als der reine Naturgott, der in der Vulkanflamme 
haust; aber er war längst nicht so groß, wie jener Mondgott, der im 
Kulturland als Wecker alles Lebens galt. Er war einfach der Stamm 
gott dieses Stainines kriegerischer und viehzüchtender Hirteir. In ihm 
faßte sich zusammen, was überhaupt das gemeinsame Leben des 
Stammes erfüllte: Krieg und Raub, Herden, Gericht. Seiner Kraft 
dankte man den Sieg über die Feinde; ans seinen Zorn schob man es, 
wenn man Unglück erlitt. Er war es, der den jährlichen Wurf der 
Herde gab; als sein Wille wurde betrachtet, was das Zusammenleben 
der Menschen an Rechtsgebräuchen und Sitte allmählich geschaffen hatte.
	        
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