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Georg Peßler, der letzte Propst bei St. Sebald in Nürnberg, begraben, nach
dem er die Deformation unterstützt, dann abgetreten und in „Melancholie'"
verfallen war. Es war also ein in religiöser Hinsicht von altkatholischen Zeiten
her sehr bedeutsamer Ort, der als solcher sogar noch protestantischen Geistlichen
wert und teuer blieb \ Was aber die Spuren eines hier einmal üblichen
Kunigundenkultus betrifft, so vergleiche man folgende, wenn auch nicht einzeln
und für sich, doch in Verbindung auffallende und gewichtige Tatsachen und
Umstände. Hierher stiftete erstlich Ir. Dürrer, ein von 1409 bis 1416 daselbst
befindlicher Geistlicher, einen Jahrestag, der am Kunigundentag gehalten
werden mußte. Hierher stiftete ferner im Jahre 1476 eine gewisse Kunigunda
Deck eine Frühmesse. 2m Jahre 1559 wurde hier Pfarrer Bartholomäus
Gebhard, der vormals eine Zelle in der Karthause zu Nürnberg gehabt. Dieser
hatte eine Magd, mit Namen Kunigunde, die den 3. März 1567, am Kunigunden
tag, ein rätselhaftes Ende nahm. Es wird hierüber ein zehn Jahre später ge
druckter Bericht zitiert, des Titels: „Gründlich wahrhafter Bericht, was sich
am Tag Kunigundis den 3. Mart, zwischen etlichen Dienstmägden aufm Feld
nit weit von dem Dorf Poppenreuth für eine wunderliche, erschreckliche Ge-
schicht verlosten und zugetragen" usw. Nürnberg 1577. Daraus ist bei Würfel
ein Auszug zu lesen, wonach jene Kunigunda an dem bezeichneten Tage auf
dem Felde mehreren andern Mägden „ein Partikul einer Oblat, so nian in
Austeilung des hochwürdigen Abendmahls zu gebrauchen pflegt", zu genießen
gab, ihnen auch den Kelch zu spenden versprach, sodann eines plötzlichen Todes
starb und tot auf dem Felde liegend gefunden ward 1 2 . Das sind nun wieder
sehr wunderliche Dinge, die ein neues Faktum der hierher gehörigen Art deut
lich genug zu erkennen geben. Die zuletzt angeführte Kunigunde weiht sich
offenbar dem Tode und teilt hierbei, wie Christus, ein vorläufiges Abendmahl
aus 3 ; und das geschieht wohl nicht infolge eines ganz besonderen, isolierten,
historisch gründ- und zusammenhanglosen Einfalles, sondern einem alten Her
kommen gemäß, das sich von jener Stiftung Dörrers im Anfang des fünfzehnten
Jahrhunderts herschreibt, mit der es allem Anschein nach eine sich auf der
artige Menschenopfer beziehende von der Geschichte aber verschwiegene Be
wandtnis gehabt. Auf etwas Aehnliches führt der Name jener früheren Kuni
gunde, der in Verbindung mit den übrigen Umständen keineswegs zufällig
und bedeutungslos scheint. Wenn aber in alten, katholischen Zeiten diese
Dinge kirchlich geheiligt und unverwehrt waren, von der Priesterschaft selbst
Leranstaltet und begünstigt wurden und an heiliger Stätte geschahen, so finden
wir hier zuletzt nur noch eine vereinzelte Schwärmerin, die auf dem Felde, und
nur mit einigen befreundeten Individuen ihres Standes in Berührung, dem
alten, abgeschafften Kultus huldigt^.
1 Dipt, eccl. in opp. et pag. S. 495. Dipt. eccl. Sebald., 6. 46, 50. 2 Dipt. eccl. in pag. et opp.
G. 495, 298 f. 3 Das oben in der Note erwähnte Fräulein von Doyneberg stiftet, daß an ihrem Todestage
die ganze Gemeinde gespeist und beschenkt werde. Grimm, Sagen V, S. 14. 4 Es wird 6. 499 der ange-
sührten Diptycha auch einer über die Sache entstandenen gerichtlichen Untersuchung gedacht.