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Die Nchbichierei und was damit zusammenhängt
JSie drei oder mit dem Sonntag Viel: Ruhetage, die sich die Zollmehrheits
parteien bewilligt hatten, genügten ihnen nicht. Sie schwänzten auch noch die
erste Sitzung nach den kleinen Ferien, die am Dienstag, den 14. November,
stattfand. Trotz der Schwänzerei ihrer Kollegen wollten indessen die erschienenen
Mitglieder der Mehrheit nicht in die Vertagung willigen, die nach sünfstiindiger
Debatte über die Kartelle von der Linken beantragt wurde und für die auch die
Nationallibcralen stimmten. Durch „Hammelsprung" wurde die Beschlutz
unfähigkeit des Hauses konstatirt. Es waren nur 134 Abgeordnete zur Stelle.
Die Mehrheit führte eine ebenso wüste wie lächerliche Radauszene auf und
wüthete gegen das Bureau, weil dieses dadurch, datz es das Resultat der ein
fachen Abstimmung über den Vertagungsantrag für zweifelhaft erklärt hatte,
den Hammelsprung herbeigeführt habe.
Am folgenden Tage war ein zur Noth beschlutzfähiges Haus zusammen,.
Graf K a n i tz redete, wie er mit liebenswürdiger Offenheit bekannte, nur zu
dem Zweck eine längere Rede, damit inzwischen per Telephon, Rohrpost
karten u. s. w^die säumigen Mehrheitsmitglieder zusammengetrommelt würden.
Als dieser des Schweitzes jenes Edlen und Besten Werthe Zweck erreicht war, trat
nach einer kurzen Rede des Liberalen Gothein sofort die bewährte Schluhmacher-
firma Rettich u. Co. in Thätigkeit. Und doch hätte die Linke, die grotzmüthig
genug sogar den Schlutzantrag keiner namentlichen Abstimmung unterwarf, sofort
das Haus wieder beschlutzunfähig machen können, wenn sie herausgegangen wäre.
Das bewiesen die beiden folgenden namentlichen Abstimmungen über die Kartell
anträge (Z Id), bei denen 166 und 155 Mehrheitsstimmen 66 und 80 Oppo
sitionsstimmen gegenüberstanden.
Am folgenden Tage erntete die Linke für diese ihre Grotzmuth den bekannten
Dank vom Hause Oesterreich. Im Interesse der blutarmen Grcnzbevölkerung,
namentlich des Erzgebirges, beantragte die sozialdemokratische Fraktion Nicht
erhebung aller Zollbeträge bis zu 20 Pf., während die Kommission nur die Zoll
beträge bis zu 6 Pf. wegfallen lassen wollte. Fischer- Sachsen begründete
den sozialdemokratischen Antrag in einer durchaus ruhigen, sachlichen, nichts
weniger als langen Rede, die etwa 50 Minuten dauerte. Kaum hatte er geendet,
als der Guillotine-Antrag der Schlutzmacherfirma einlief. Mit berechtigter
Entrüstung sagte noch im Laufe desselben Tages der Abgeordnete B r ö m e l,
Mitglied der freisinnigen Vereinigung: „Bei 8 4 ist über das Interesse der
Aermsten — der armen Grenzbewohner — durch einen Schlutzantrag hinweg
gegangen worden."
Zur selben Strmde lüftete die Zollmehrheit ihre Maske noch mehr. Der
§ 5 des Tarifgesehes, dessen Berathung nunmehr bevorstand, umfatzt in einem
Verzeichnitz von 15 Nummern die Gegenstände, die die zollwüthige Kommission
gütigst zollfrei lassen wollte. Gewitzigt durch das brutale Vorgehen der Majorität
beim § 4 fragte Singer an, ob das Haus beabsichtige, mindestens diejenigen
Nummern des „Omnibus-Paragraphen" 15, zu denen Anträge vorlagen, einzeln
zu diskutiren. In der Kommission war beim 8 5 so verfahren worden, aber
beim Grafen Balle st rem schlug der reaktionäre Zolljunker durch die mühsam
gepflegte Politur präsidialer Unparteilichkeit durch; er regte an, den Omnibus-
Paragraphen in einer Berathung zu behandeln: die Mehrheit erklärte sich
natürlich mit vielem Lärm und tausend Freuden für diese Methode des „Bethle-
hemitischen Kindermordes", wie Dr. Barth sich ausdrückte.