Full text: Zur Frage des Mutter- und Säuglingsschutzes

Soll sie nun aber diese Doppcllast der Arbeit, von der jede einzelne 
bereits ein „Zuviel" für sie bedeutet, tragen, so ist eine arge Ueberlastung und 
damit eine schwere Gesundheitsschüdigung die unausbleibliche Folge. Der 
mndcgehetzte Ansdruck tut Antlitz einer überlasteten Arbeiterin kennzeichnet 
sie schon als solche. 
Frühes Altern oder gar frühes Siechtum ist deshalb auch das Los. 
so vieler unter ihnen. Die Doppellast der Arbeit hemmt aber auch die 
geistige Weiterentwicklung, zerdrückt und erstickt das eigene Innenleben, zer 
mürbt die Willenskraft, macht geistig stumpf und apathisch. 
Daß trotz übermenschlicher Anstrengung doch die Hausarbeit leiden muß, 
das Heim vernachlässigt und unwirtlich wird, wodurch das Wirtshausleben 
dem Manne verlockend erscheint und der Grund zur Zerrüttung des Familien 
lebens gelegt wird, wollen, wir nur kurz erwähnen. Kommt es nirs doch 
vor alleni darauf an, die Folgen der weiblichen Berufsarbeit für Mutter 
und Kind zu zeigen. 
Und wahrlich, die Verbindung von Berns und Mutterschaft bildet daS 
folgenschwerste Problem, welches die weibliche Ertverbsarbeit für die Arbeiter 
schaft, ja für die ganze Volkswirtschaft aufrollte. Denn es tvird durch sie 
nicht nur die Entwicklungsmöglichkeit, die Gesundheit und das Leben der 
gegenwärtigen, sondern auch der kommenden Generation in Frage gestellt. 
Die Doppelbelastung raubt der Frau Zeit und Kraft, ihre Pflicht 
als weiblicher Mensch der Gesellschaft gegenüber erfüllen zu 
können. Der durch Haus- und Erwerbsarbeit geschwächte oder gar gesund 
heitlich ruinierte Körper der Frau vermag in unzähligen Fällen die Stra 
pazen der Mutterschaft nicht zu ertragen. Schwere Wochenbetten mit tätlichem 
Ausgang oder dauernder Gesundheitsschädigung, eine Reihe schmerzhafter, 
quälender- Frauenkrankheiten: Unterleibsleiden, Beinschäden n. a. sind die 
Folgen. Oder aber, die krankmachenden Einflüsse der Erwerbsarbeit zeitigen 
Früh-, Fehl- oder Totgeburten, oft auch völlige Unfruchtbarkeit der Frau. 
Diese Einflüsse wirken aber auch durch die Mutter auf das 
werdende und auf das neugeborene Kind, das ausgetragen wird. 
Schwache, kranke oder verkrüppelte Kinder zeugen von den mörderischen Ein 
flüssen kapitalistisch ausgebeuteter Erwerbsarbeit. 
Die Entziehung der Mutterbrnst, der natürlichen Nahrung, zu der die 
Erwerbsarbeit die Mutter zwingt, läßt die Säuglingssterblichkeit in er- 
schreckcndeni Maße in die Höhe schnellen und führt zur Verkrüppelung nor 
mal geborener Kinder. Der Mangel an sonstiger Körperpflege, an gutem 
Ersatz für die Muttermilch, an Sauberkeit, an guter, reiner Luft zeitigen 
ähnliche Folgen. 
Da die Not die Arbeiterinnen bereits in früher Jugend in die Erwerbs 
arbeit treibt, so bleibt auch kaum Zeit für sie, sich irgendwelche .Kenntnisse 
über Säuglingspflege und -ernahrnng anzueignen, und Fortbildungsschulen 
für weibliche Arbeiter, die auch Unterricht in Säuglingspflege gewähren, 
gibt es leider, trotz allem Drängen der Arbeiterschaft, bis heute immer noch 
nicht. Und so kommt es dann, daß die Unwissenheit bei der Säuglings 
pflege vollendet, was die Not und der Mangel an Zeit begannen. 
Den größeren Kindern fehlt es an Pflege und Erziehung, wenn die 
Mutter lohnarbeitet. Die. Gefahr körperlicher und sittlicher Verwahrlosung
	        
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