Full text: Über angebliche Zahnanlagen bei Vögeln

in Frage stehenden Gebildes bei dem ausgebildeten Individuum 
erlischt. Aber wenn sie uns beweisen sollte, dass hier unzweifel- 
haft eine Zahnanlage der Rückbildung verfällt, so genügt uns 
nicht die blosse Tatsache des Verschwindens, sondern wir fordern 
den Nachweis, dass die Art der Rückbildung derjenigen entspricht, 
wie wir sie bei den Zahnleisten höherer Wirbeltiere genau kennen. 
Nun ist aber, um Röses (15) eigene Worte zu gebrauchen, 
„prinzipiell zwischen den Reduktionserscheinungen der Zahnleiste 
bei sämtlichen höheren Vertebraten kein Unterschied“. Die Zahn- 
leiste wird von mesodermalen Zellen durchwuchert, vom Mund- 
höhlenepithel abgetrennt und total zerklüftet, so dass vielfach 
bis ins späte Alter hinein Epithelperlen in den mesodermalen 
Geweben aufzufinden sind. Auch wo etwa bei den Edentaten 
unzweifelhafte Zahnleisten vorhanden sind — es bilden sich im 
hinteren Abschnitt derselben einzelne Zahnpapillen — verläuft 
der Rückbildungsprozess ähnlich, indem sich die Zahnleiste vom 
Epithel der Mundhöhle ablöst und als ein runder Strang im 
Mesoderm liegt, bis auch sie der bekannten Zerklüftung verfällt. 
Die Rückbildung der angeblichen Zahnleiste bei Vögeln aber 
vollzieht sich hiervon fundamental verschieden. Beim weiteren 
Wachstum gleichen sich die Niveauunterschiede im Epithelgewebe 
ans, die Furchen werden weniger tief, und schliesslich sind die 
„Zahnleisten“ eingeebnet. 
Ich möchte nach dem hier Gesagten die Rückbildung der 
Epithelleisten nicht nur nicht als Beweis für, sondern als einen 
solchen gegen die Richtigkeit von Röses Theorie betrachten. 
Und ähnlich ergeht es mir mit den übrigen Gründen, die Röse 
und seine Anhänger für ihre Theorie ins Feld führen. 
Was zunächst die Form der Leisten anbelangt, so genügt 
ein Blick auf den Querschnitt eines Schnabels, um sofort Zweifel 
an der Richtigkeit ihrer Deutung aufsteigen zu lassen. Sie sind 
vor allen Dingen im Verhältnis zu der geringen Breite des 
Schnabels zu breit, viel breiter als wir es beispielsweise von den 
Zahnleisten der Säuger her gewohnt sind. Nimmt der Schnabel 
an Breite zu, so werden die Leisten noch breiter und diffuser 
gestaltet, wie wir es in dem extremen Falle des Straussenschnabels 
gut beobachten können. 
Ihre Form ist ferner im Schnabel desselben Tieres nicht 
konstant. sondern ändert sich von der Spitze zur Wachshaut hin
	        
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