ORESTES.
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vor der Tempeltür niedersinkt. Hier erklärt er sterben zu
wollen, wenn ihn der Gott, der ihm den Muttermord geboten
hatte, nicht rette. Da heißt ihn Apollon, das vom Himmel
gefallene Kultbild der Artemis aus dem Taurerland zu holen,
nach Attika zu bringen und dort zu weihen. 1 ) Yon seinem
treuen Pylades begleitet, zieht er zu den Taurern, die diesem
Bilde alle gelandeten Fremden opfern 1 2 ), und die ihm zur
Priesterin bestellte Iphigeneia hat das Amt, an ihnen die Haar
weihe zu vollziehen; dann werden sie im Innern des Tempels
geopfert und in ein heiliges Feuer geworfen, das aus einer
breiten Felsenkluft emporschlägt. 3 ) Als sie angelangt und
nach einer kurzen Inspizierung des Tempels und der Gelegen
heiten zum Strand zurückgekehrt sind, bekommt Orestes
einen Wahnsinnsanfall; in einer Binderherde glaubt er die ihn
verfolgenden Erinyen zu sehen, fällt sie mit gezücktem Schwerte
an und verrichtet ein großes Blutbad. 4 ) Dann sinkt er in
Ohnmacht, während sich Pylades liebevoll um ihn bemüht. 5 6 )
Unterdessen haben die skythisehen Hirten Verstärkung herbei
gerufen und fallen die Fremden an. Pylades und der aus
seiner Ermattung erwachte Orestes leisten tapferen Wider
stand, müssen aber der Übermacht erliegen. Gefesselt werden
sie vor Iphigeneia geführt, die, durch einen Traum aufgeregt,
in dem sie an Orestes die Haarweihe zu vollziehen glaubte,
was sie auf seinen erfolgten Tod deutete, auf alle Griechen
wegen ihrer Opferung in Aulis aufs neue grimmigen Haß ge
worfen hat, während sie vorher mit den Opfern Mitleid erap-
1) V. 82ff. betet er zu Apollon: eA&wv öe a r\gd>zr\aa nwg xgoxrjXdzov
ßavlag äv el&oiß ig te'Aoj növwv x’ ificöv, ovg i£e/x6yßovv negmoXüv xa&’
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neaelv äno ■ kaßovza ö’ rj xeyvaiaiv •>] xvyrj zivl, xivdvvov ixnhrjaavz’, ’Aftrjvaicov
yßovl öovvai. Danach Äpollod. Epit. 6, 26 igo/eivq> (5’ avzä>, ncdg äv anaMayeiij
rfjg vöaov, 6 &edg elnev ei xd iv Tavgotg Soavov /xezaxo/elasiev. Es ist wohl
nur ein Versehen, wenn es nach Probus Proleg. zu Verg. Buool. den Anschein
hat, als ob Orestes den Befehl erhalten habe, seine Schwester Iphigeneia zu
suchen.
2) Über die Nachbildung des Dionysios Skytobrachion in seinen Argo-
nautika s. oben S. 868.
3) V. 626 nvg legdv evöov ydafia x’ evgcondv nexgag; Apollod. Epit. 6, 26
oi de Tavgoi /uolgd iazz Sxv&iöv, ol xovg $evovg (povevovai xai eig xd legdv (nvg
Herwerden) ginxovai. zovzo rjv iv xq> zefievet öid zivog nexgag ävatpegö/zevov e£
"Aiöov.
4) Dies ist dem Wahnsinn des Aias in der Kleinen Ilias und bei Sophokles
nachgebildet, oben S. 1202.
6) Darauf spielt Ovid Trist. I 6, 21 f. an; nt foret exemplmm veri Phoceus
amoris, fecerunt furiäe, tristis reOsta, tuae.