WELTANSCHAUUNG
Anarchische Gedichte
Eine neue Zeit wird kommen, anders geartet als jene, welche
war und welche ist. Langsam wird sie kommen, wie dem Kranken
der Tod und dem Genesenden das Leben, aber sicher.
Sie wird den entsetzlichen und unwürdigen Wahn der Autorität
und alle jene ihm entspringenden Begriffe, wie: Religion, Nationalität,
Staat, Patriotismus, Gesetze, Pflicht, Recht usw., aus dem Bewusst
sein und dem Gedächtnis der Menschen streichen und an deren
Stelle setzen: Weltbürgertum, Allgemeinheit und Unabhängigkeit;
Selbstherrlichkeit und Selbsthilfe.
Und ein neues Wort wird hinzulreten, dessen Segnungen noch
Keiner von uns kennt, nur Wenige von uns ahnen: Freiheit!
Denn das Ewig-Einzige beginnt zu siegen über alles Ererbte! —
Ich weiss nicht, wann es siegen wird, aber ich weiss, dass es
siegen wird, und zeichne in dieser Ueberzeugung hier in Umrissen
die Grundzüge einer Weltanschauung auf, welche nur das eine Ziel
kennt: natürlich und vernünftig zu sein.
Die Dichtung der Zukunft
I.
K ein Kind, das in mutwilligem Vergnügen
Sich Blüten von dem Baum des Lebens nascht,
Weltfern, am Waldesrand, in Selbstvergnügen
Nach eines holden Traumes Falter hascht
Kein Weib, das um die Lüge unserer Tage
Den Schleier stillzufriedenen Wahnes schlägt,
Und unser Herz, vorüber jeder Frage,
Zu einem Paradies des Friedens trägt —
Und keine Greisin, die mit müdem Blicke
Auf das von ihr Erreichte mutlos, schaut,
Und still entsagt, sich selber dem ,Geschicke'
Hingebend, weil sie sich nicht mehr vertraut -
Nein, eine andere ist unserer Zeit
Verstoßene Göttin Dichtung! Neue Bahnen,
Zu Zielen führend, welche w i r nur ahnen,
Beschreitet sie in hoher Herrlichkeit!