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greifen, solange der Reichsausschuß nicht über genügende Mittel verfügt? Wir haben
im Reichstage versucht, ihm Mittel zu beschaffen, durch einen besonderen Etatstitel
im Etat des Reichsamts des Innern. Wäre uns das gelungen, dann hätten wir jedes
Jahr die Erhöhung dieses Titels beantragen können, aber fast alle bürgerlichen Parteien
wandten sich dagegen. Es muß auch Rücksicht genommen werden auf die Familien
der Kriegsbeschädigten. Selbst wenn es uns gelingt, eine Aufbesserung der Renten
herbeizuführen, wird doch immer noch eine große Not in Familien mit zahlreichen
Köpfen vorhanden sein, wo die private Fürsorge eingreifen muß. Es handelt sich
zum übergroßen Teil um unsere Arbeitsgenossen, und da haben wir keinen Grund,
abseits zu stehen und zu sagen, wir machen nicht mit. Es geht nicht, daß alle andern
Organisationen sich an dieser Fürsorge beteiligen und daß die Gewerkschaften, die immer
erklären, daß sie die Fürsorge für die Kriegsteilnehmer als eine ihrer vornehmsten Auf
gaben betrachten, abseits stehen. Die Sammlungen sollen in den verschiedenen Berufs-
schichtcn vorgenommen werden.' Die erste Sammlung ist schon ausgeschrieben, sie er
streckt sich auf die Großindustriellen und ist sehr beschleunigt worden. Der Rcichs-
ausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge rechnet sehr richtig damit, daß, wenn die Unter
nehmer vor dem Jahresabschlüsse aus den Überschüssen Gelder für die Spende Her
geben, der Betrag aus dem zu versteuernden Überschuß herausfällt. Man rechnet danüt,
daß auch aus der Landwirtschaft infolge der großen Gewinne, die so erzielt sind, große
Summen herauskommen. Dann sollen die Sammlungen sich erstrecken auf die Be
amten, auf die Angestellten und auf die Arbeiter. Eine Sammlung für die Arbeiter
soll für sich vorgenommen werden, aber nicht eine solche für unsere gewerkschaftlichen
Organisationen. Dagegen habe ich mich bei unseren Vorberatungen mit aller Ent
schiedenheit gewendet. Gewiß könnte sich vielleicht, wenn jede Organisation einzeln
sammelt, eine größere Summe ergeben, aber es würde uns dann nicht gelingen, die
Unorganisierten dazu heranzuziehen. (Stühmer: Unterzeichnen die Gelben auch?)
Nein, diesen Aufruf nicht, den werden die Gelben nicht unterzeichnen. Die ganze
Organisation ist ja noch nicht zum Abschluß gekommen.
Am 22. Dezember fand eine Zusammenkunft von Vertretern der verschiedenen
gewerkschaftlichen Richtungen statt, ohne Hinzuziehung der Gelben. Hier ist nun
beraten worden, ob die Gelben mit herangezogen werden sollen. Es ist unsererseits
erklärt, wir können unmöglich mit den Gelben gemeinsam einen solchen Ausruf unter
zeichnen, das geht auf keinen Fall. Demgegenüber sagte sowohl Prinz Schönaich-
Carolath als auch Geib: Sie dürfen aber nicht unterschätzen, welchen Eindruck das
bei den Unternehmern machen wird und welche Wirkung auf das Ergebnis der
Sammlung es hat, wenn wir die Gelben ausscheiden, wir müssen einen Ausweg
finden, um die Unternehmer nicht vor den Kopf zu stoßen, und doch die durchaus be
rechtigte Antipathie der Gewerkschaften gegen die Gelben zu berücksichtigen. Der
Ausweg ist folgender: Es soll noch eine Sitzung stattfinden, zu der die Gelben zu
gezogen werden. Damit glaubt der Reichsausschuß den Unternehmern gegenüber
Genüge geleistet zu haben. Die Organisation der Sammlung beschließen die am
22. Dezember vertreten gewesenen Organisationen, der Aufruf wird uns nicht von
dritter Seite vorgelegt, sondern wir stellen selbst seinen Wortlaut fest und wir be
schließen auch über die Art der Sammlungen. Die Dinge liegen tatsächlich so, daß
Sie sehr wohl dem, was die Generalkommission vorgeschlagen hat, Ihre Zustimmung
erteilen können, und ich glaube, daß auch die Vertreter der Vorstände, die bereits
einen anderen Beschluß gefaßt haben, nach dessen Darlegungen sich für die Sammlungen
entscheiden werden. Ich gebe aber zu, daß Sie jetzt nicht gut dafür stimmen können.
Mir scheint also der Vorschlag von Drunsel, der auch von Graßmann unterstützt ist,
zweckmäßig zu sein. Weisen wir also die Sache zur Entscheidung an die Vorstände.
Friedebach und Eichhorn sprechen für Beteiligung an der Sammlung.
Leipart: Trotz unserer grundsätzlichen Auffassung, daß die Sorge für die
Kriegsbeschädigten heilige Pflicht des Reiches und des Staates ist, geben wir doch zu,
daß es Kriegsgewinnler genug in Deutschland gibt, die ebenso wie Sie für mancherlei
sonstige Zwecke Tausende und Millionen opfern, auch für die Kriegsbeschädigten
mal in ihren Geldbeutel, und zwar recht tief, greifen können. Es liegt auch kein