Full text: Die Vernichtung der Sozialdemokratie durch den Gelehrten des Centralverbandes deutscher Industrieller

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»Cs ist richtig, Latz die 'gegenwärtige Produktionsweise die Tendenz hat. 
Las Elend der unteren Volksschichten — der untergehenden Mittelklassen wie 
des Proletariats — immer mehr zu steigern. Aber diese Produktionsweise er 
zeugt ebenso naturnothwcndig wie das Elend, auch die Empörung gegen das 
Elend, die immer stärker und stärker anschwillt, der dcgradirenden Tendenz 
des Kapitalismus immer energischeren Widerstand leistet, ja, die unter be 
sonders günstigen Umständen dahin gelangt, die Bewegung der Lebenslage 
der Arbeiter aus einer absteigenden in eine aufsteigende zu verwandeln. Das 
hindert aber nicht, daß die Empörung gegen das Elend fortdauert, ja, dah sie 
immer entschiedener zu einer Empörung des Proletariats gegen die bestehende 
Gesellschaftsordnung anwächst. Denn die Wurzel dieser Empörung liegt nicht 
im Elend selbst — nicht überall, wo Elend ist, ist auch die Empörung gegen 
das Elend; und es sind nicht die Elendesten unter den Elenden, bei denen 
die Empörung beginnt —: ihre Wurzeln liegen im Klassengegensatz 
zwischen den Ausbeutern und den Ausgebeuteten, und 
in dem ruhelosen unstäten Charakter der modernen Pro- 
duktionsweise, die, in unauflöslicher Umwälzung begriffen, das Pro 
letariat in ewiger Ruhelosigkeit erhält und jene scheue Ehrfurcht vor dem 
Jahrhunderte alten Bestehenden, welches die Ausgebeuteten der früheren Jahr 
hunderte charakterisirte, gründlich zerstört. 
»Dieser revolutionäre und revolutionirende Charakter der bestehenden 
Produktionsweise nimmt immer mehr zu, und ebenso der Gegensatz zwischen 
der Klasse der Kapitalisten und dem Proletariat. Denn selbst wo dessen Lage 
sich absolut verbessert, verschlechtert sie sich relativ, indem die Verbesserung 
zurückbleibt hinter der raschen Vermehrung der allgemeinen Produktivität der 
Arbeit, die unserer Produktionsweise eigenthümlich ist. Auch wo das 
Elend geringer wird, wird die Ausbeutung größer. 
»Und die Hebung der Arbeiterklasse geschieht nicht selbstthätig, sie mutz 
errungen werden in erbitterten Kämpfen, die zahllose Opfer fordern. Jede 
Errungenschaft des Proletariats bedeutet daher nicht eine Abschwächung, 
sondern eine Verbitterung der Klassengegensätze. 
„Noch eins: Selbst im günstigsten Fall, wenn es einer Arbeiterschicht ge 
lungen sein sollte, eine Lebensstellung zu erlangen, die sie befriedigt, so kann 
sie sich ihrer nicht freuen angesichts der allgemeinen Unsicherheit, welche die 
moderne Produktionsweise mit sich bringt und angesichts der Unersättlichkeit 
der Kapitalistenklasse. Müssen die unteren Arbeiterschichten das Kapital be 
kämpfen, um dem Elend zu entgehen, so die oberen, um nicht wieder in's Elend 
hinabgestotzen zu werden, das sie unaufhörlich bedroht. Keine Errungenschaft 
ist sicher; eine Krisis, eine neue Erfindung, eine neue Fabrikantenkoalition, 
ein neues Gesetz kann sie wieder entreitzen. Kampf, Kanipf und immer wieder 
Kampf heitzt die Losung der Arbeiterklasse; für sie giebt es keinen dauernden 
Sieg, so lange sie nicht die politische Macht im Staat erobert und die Pro 
duktionsmittel in Gemeineigenthum verwandelt hat. 
»Jede Kräftigung der Arbeiterklasse, sei sie durch ökonomische, sei sie durch 
Pvkitische Maßnahmen erlangt, bedeutet nichts Anderes als eine Kräftigung 
der Kämpfer für den Sozialismus. Das Proletariat in seinem Kampf nach 
Verbesterung seiner Lage in der heutigen Gesellschaft nach Kräften zu fördern, 
ist nicht nur nicht unverträglich mit den Prinzipien der Sozialdemokratie, es 
ist vielmehr eine ihrer wichtigsten, vielleicht ihre wichtigste Aufgabe." 
(Der Entwurf des neuen Parteiprogrannns, „Neue Zeit", IX, 2, S. 753.) 
Das war auch damals schon kein neuer Standpunkt in der Sozialdemokratie, 
er ist heute in ihren Reihen allgemein anerkannt.
	        
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