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Die Ziffer der Angeklagten hatte sich also binnen 20 Jahren mehr als ver
doppelt. Von 1843—1848 blieb sie noch sehr hoch, um von 1849 an allmälig
in demselben Maße zurückzugehen wie die Löhne stiegen.
Um die Einwirkung des Kapitalismus auf den körperlichen Zustand der
Arbeitcrbevölkerung statistisch zu beleuchten, stehen uns nur die Ziffern der Todes
fälle in England, und die erst von 1838 an zur Verfügung. Auch sie steigen
von 224 per 10 000 Köpfe auf 251 im Jahre 1849, dem großen Wendepunkte,
in dem der gesetzlich bestimmte Zehn stundentag verwirklicht wurde. Viel
deutlicher als die Bewegung der Sterbeziffern innerhalb eines Jahrzehnts mit
seinem Wechsel von Prosperität und Krise spricht ihre gleichzeitige Vertheilung über
die industriellen und die landwirthschaftlichen Bezirke. Es kamen aus je
10 000 Köpfe der Bevölkerung
Fahr
in den landwirthschaftlichen
Grafschaften
Todesfälle
in den industriellen
Grafschaften
Todesfälle
1838—40
204
283
1840—43
202
256
1844—46
205
266
1847—49
214
302
Die Sterblichkeit war also in den industriellen Grafschaften fast um 50 pEt.
größer, als in den landwirthschaftlichen.
Wir sehen, wie dem Volke die „gegenwärtige soziale Einrichtung bekommt",
wenn sie nicht durch staatlichen Arbeiterschutz und starre politische und wirthschaft-
liche Arbeiterorganisationen eingedämmt wird, und wie die wahrheitsgemäße
Antwort darauf zu lauten hat.
Daß seitdem unter dem Einfluß eines kraftvollen Widerstandes der Arbeiter
klasse gegen den Kapitalismus Manches schon besser geworden ist, haben wir gar
keine Ursache zu leugnen. Aber auch hier müssen wir konstatiren, daß Herr
Bürger das Erreichte viel zu rosig malt. Zur Selbstzufriedenheit ist leider sehr
wenig Grund vorhanden.
Als ersten Beweis dafür, wie wohl sich das deutsche Volk befindet, führt
Bürger die Zunahme der Eheschließungen am Es kamen auf 1000 Ein
wohner im Deutschen Reiche im Durchschnitt:
Ehe schließende
1877—80 1881—85 1886—90 1891—95 1896 1897 1893 1899
15,3 15,4 16.8 16,9 16,4 16,7 10,3 17,2
„Also eine unausgesetzte kräftige Aufwärtsbewcgung!"
Sicher. Aber seit wann? Seit 1877, seit dem Höhepunkt der letzten großen
Krise. Von da bis zum Höhepunkt des darnach schließlich folgenden wirthschaft-
lichen Aufschwunges haben wir eine „kräftige Aufwärtsbewcgung". Aber die
Sache erhält ein anderes Gesicht, wenn man nicht das eines Ehrenbürgers von
Schwindelheim würdige Kunststück macht, den tiefsten Stand der wirthschaftlichen
Depression mit dem Höhepunkt des Aufschwunges zu vergleichen, sondern Höhe
punkt mit Höhepunkt vergleicht. Wir finden dann 1871—76 18,1 Eheschließende,
dagegen 1899 nur 17,2, also erheblich weniger. Herr Bürger redet
sich freilich dahin aus, die Zeit von 1871—76 sei eine ganz abnorme gewesen,
wegen des Milliardensegens und des vorhergehenden Krieges. Aber diese Aus-