33
Nehmen wir einen größeren Zeitraum, dann sieht man öffenbar die stete
Zunahme des Selbstmordes, die auch durch soziale Reformen nicht auf
gehalten wird.
Es betrug (nach Masarhk, Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung,
1881, und nach G. b. Mayr ini Handwörterbuch der Staatswissenschaften), die
Zahl der Selbstmorde in:
Jahr
Frankreich
Jahr
Oesterreich
Jahr
Sachsen
Jahr
Preußen
1827—30
1739
1828
626
1836
214
1836
I486
1876
8804
1879
2515
1877
1114
1866
2485
1881
6741
1881
3604
1897
9356
1898
4083
Eine besondere Schönheit der kapitalistischen Gesellschaft bildet der
K i n d e r s e l b st m o r d. Darüber schreibt der Amtsgerichtsrath Dr, Pauk
Frauenstädt in der „Zeitschrift für Sozialwissenschaft" (1901, 8. Heft):
„Die gewaltig ansteigende Selbstmordtendenz der erwachsenen Ve«
bölkerung in den Ländern mit hoher Kulturentwickelung hat schon seit geraumer
Zeit in hohen: Grade die Aufmerksamkeit der Moralstatistiker auf sich gezogen.
Eine fast noch bedenklichere soziale Erscheinung ist der auch in der Kinder
welt immer Mehr um sich greifende Selbmord. Im Königreich Preußen haben,
um von anderen Staaten abzusehen, wach der offiziellen Statistik in den
30 Jahren von 1869—1898 1708 Selbstmorde von Kindern im Alter von 6 bis
18 Jahren stattgefunden. Der Kinderselbstmord stieg von 191 in der fünfjährigen
Durchschnittspcriode 1869/78 auf 214, 824. 296. 389, 324 in den nächst
folgenden fünf Durchschnittsperioden. In der Periode 1869/73 kam ein
Kinderselbstmord auf 660,022, in der Periode 1894/98 einer auf 497,818
Einwohner. An der Gesammtzahl der begangenen Selbstmorde partizipirte
das Kindesalter am Anfang der 30jährigen Zählungsperiode mit 81, am
Schlüsse derselben mit 70 Selbstmorden. Indessen ist an der Vermehrung
ausschließlich die Altersklasse von 10—15 Jahren betheiligt. Hier stieg der
Antheil an der Gesammtheit der Selbstmorde von 28 auf 67."-
Soviel über das Glück und die Z u f r i e d e n h e i t, die die herrschende
Produktionsweise verbreitet.
Und nun noch einige Worte über die Sittlichkeit, die sie erzeugt.
Wir wollen hier garnicht bestreiten, daß es in der heutigen Gesellschaft eine
hohe sittliche Kraft giebt, aber sie liegt nicht dort, wo Herr Bürger sie sucht,
denn sie liegt in der Sozialdenrokratie. Diese ist es, die den Arbeiter
aus der sittlichen Erniedrigung erhebt, in die ihn der schrankenlose Kapitalismus
hinabgetreten; sie ist es, die ihm einen sittlichen Halt und ein Ideal giebt, die
seine Vergnügungen veredelt, seine Verzweiflungsthaten eindämmt, an Stelle
gedankenloser Rohheit ernstes und unermüdliches Streben nach höheren Lebens
formen setzt. Wo die Sozialdemokratie herrscht, geht daher die Kriminalität, die
Zahl der Verbrechen zurück. Aber leider ist die Sozialdemokratie noch nicht stark
genug, den demoralisircnden Einwirkungen des Kapitalismus so erfolgreich
entgegenzutreten, daß eine Abnahnie der Kriminalität im Allgemeinen merkbar
wäre. Diese nimmt bisher immer noch zu.
Aus der Bürgerschen Statistik ist das freilich nicht zu ersehen. Er giebt un
folgende Tabelle:
8