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Zeugnis seiner allerspeziellsten Vorsorge so ganz augen
scheinlich abgelegt hatte. Elise, Stillings Frau,
meinte: „Das heißt wohl recht, seinen Freunden gibt
er es schlafend" (Psalm 127, 2). Von nun an wolle
sie nie wieder mißtrauisch sein. Eine andere liebliche
Geschichte geschah auf einer zweiten Schweizerreise.
In Burgdorf, Kt. Bern, operierte er u. a. einen
alten Bauersmann. Zwei schöne, starke Männer,
bäurisch, aber gut und reinlich gekleidet, kamen mit
einem ehrwürdigen Graukopf ins Pfarrhaus, wo Stil-
ling logierte, und fragten nach dem fremden Doktor.
Als dieser kam, sagte der eine der jungen Männer:
„Da bringe mer unsern Vater, er isch blind; chönnet
er em hälfe?" Stilling besah die Augen und ant
wortete: „Ja, liebe Freunde, mit Gottes Hilfe soll
euer Vater sehend wieder nach Hause gehen". Die
Männer schwiegen; aber die hellen Tränen perlten die
Wangen herab. Dem blinden Greis bebten die Lip
pen, und die starren Augen wurden naß. Bei der
Operation stellte sich der eine Sohn auf die eine
Seite des Vaters und der andere auf die andere
Seite. In dieser Stellung sahen sie zu. Als nun
alles vorbei war und der Vater wieder sah, flössen
wieder die Tränen; aber keiner sagte ein Wort. Nur
der älteste Sohn fragte: „Herr Doktor, was sind wir
schuldig?" Stilling antwortete: „Ich bin kein Arzt
für Geld. Da ich aber auf der Reise bin und viele
Kosten habe, so will ich etwas annehmen, wenn ihr
mir etwas geben könnt; es darf euch aber nicht im ge
ringsten drücken." Pathetisch erwiderte der älteste
Sohn: „Uns drückt nichts, wenn's unsern Vater be
trifft!" Und der jüngere setzte hinzu: „Unsere linke