Full text: Aus der älteren Geschichte der Rosenkreuzer

36 
sowie das Zusammenleben von Christen und Sarazenen in 
Spanien vermittelte dem Abendland die Kenntnis der geheimen 
Chymie. Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Zeit gegeben 
hat, in denen Kunst und Wissenschaft, wenn nicht ihre einzige, 
so doch ihre höchste Pflege an arabisch-sarazenischen Hoch 
schulen und Fürstenhöfen gefunden hat. Der dem Orient eigen 
tümliche mystische Zug wird sich daher auch bei der Über 
tragung der chymischen Kenntnisse auf die lateinisch-christ 
liche Welt bewusst oder unbewusst mit eingeschlichen haben. 
So wird es für uns verständlich, dass die chymische Kunst 
gleich nach ihrem Bekanntwerden im Abendland mit Mystik 
und Magie vielfach vergesellschaftet' auftritt. 
Im Abendland aber waren derzeit die Klöster die einzigen 
Pflanzstätten der Kultur, und so wird uns die Tatsache nicht 
erstaunen, dass im christlichen Europa in Klöstern die ersten 
Werkstätten der geheimen Chymie bestanden haben. Aus den 
Klosterschulen gingen jene gelehrten Vaganten hervor, die 
fahrenden Schüler, welche alsdann ihrerseits die erlernten 
Künste selbst ausübten und weiter in die Öffentlichkeit brach 
ten. Bischöfe aber und Klöster waren es, die in der ersten 
Zeit der Alchymie pflegten. 
Den ältesten Hinweis auf das Bestehen einer chymischen 
Gesellschaft finden wir in »Reym. Lullii Theoria«, enthalten 
im »Theatrum physicum latinum«, welches die Rosenkreuzer 
im Jahre 1613 zu Strassburg drucken Hessen. An dieser Stelle 
wird bereits im 13. Jahrhundert ein Rex physicus erwähnt und 
eine Gesellschaft in Italien, vor der Lull »Quecksilber durch 
sein besonderes Menstruum in edel Metall tingierte«. Bereits 
1358 entstand des Magisters Ortholanus »Praktica vera alki- 
mika«, welche 1386 im Aufträge des Erzbischofs von Trier der 
Engländer Dumbeler neu bearbeitete. Derselbe Ortholanus 
schrieb auch über die smaragdene Tafel des Hermes, so dass 
wir also hier schon Alchymie, Astrologie und Mystik Hand 
in Hand gehen sehen. Hiess der Trierer Erzbischof von Falken 
stein »pater philosophorum«, so haben wir auch bereits den 
1393 verstorbenen Bischof Florentius als Liebhaber der chymi 
schen Kunst kennen gelernt. Erst später sehen wir auch die 
weltlichen Fürsten in der Reihe der Alchymisten. 
Schon aus unserer Übersicht ersahen wir, dass Albertus 
Magnus seine geistlichen Brüder vor der Alchymie warnte, und 
später sahen wir sogar einen Jesuiten in Ingolstadt gegen die 
Chymisten zu Felde ziehen. Indes waren dies zunächst nur 
vereinzelte Stimmen. Erst später, bei fortschreitender Kirchen 
zucht einerseits und der Entwicklung der Chymie zu einer 
mehr weltlichen Macht andererseits verschwindet die Alchymie 
aus den Klöstern und geistlichen Kreisen, um später freilich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.