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sowie das Zusammenleben von Christen und Sarazenen in
Spanien vermittelte dem Abendland die Kenntnis der geheimen
Chymie. Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Zeit gegeben
hat, in denen Kunst und Wissenschaft, wenn nicht ihre einzige,
so doch ihre höchste Pflege an arabisch-sarazenischen Hoch
schulen und Fürstenhöfen gefunden hat. Der dem Orient eigen
tümliche mystische Zug wird sich daher auch bei der Über
tragung der chymischen Kenntnisse auf die lateinisch-christ
liche Welt bewusst oder unbewusst mit eingeschlichen haben.
So wird es für uns verständlich, dass die chymische Kunst
gleich nach ihrem Bekanntwerden im Abendland mit Mystik
und Magie vielfach vergesellschaftet' auftritt.
Im Abendland aber waren derzeit die Klöster die einzigen
Pflanzstätten der Kultur, und so wird uns die Tatsache nicht
erstaunen, dass im christlichen Europa in Klöstern die ersten
Werkstätten der geheimen Chymie bestanden haben. Aus den
Klosterschulen gingen jene gelehrten Vaganten hervor, die
fahrenden Schüler, welche alsdann ihrerseits die erlernten
Künste selbst ausübten und weiter in die Öffentlichkeit brach
ten. Bischöfe aber und Klöster waren es, die in der ersten
Zeit der Alchymie pflegten.
Den ältesten Hinweis auf das Bestehen einer chymischen
Gesellschaft finden wir in »Reym. Lullii Theoria«, enthalten
im »Theatrum physicum latinum«, welches die Rosenkreuzer
im Jahre 1613 zu Strassburg drucken Hessen. An dieser Stelle
wird bereits im 13. Jahrhundert ein Rex physicus erwähnt und
eine Gesellschaft in Italien, vor der Lull »Quecksilber durch
sein besonderes Menstruum in edel Metall tingierte«. Bereits
1358 entstand des Magisters Ortholanus »Praktica vera alki-
mika«, welche 1386 im Aufträge des Erzbischofs von Trier der
Engländer Dumbeler neu bearbeitete. Derselbe Ortholanus
schrieb auch über die smaragdene Tafel des Hermes, so dass
wir also hier schon Alchymie, Astrologie und Mystik Hand
in Hand gehen sehen. Hiess der Trierer Erzbischof von Falken
stein »pater philosophorum«, so haben wir auch bereits den
1393 verstorbenen Bischof Florentius als Liebhaber der chymi
schen Kunst kennen gelernt. Erst später sehen wir auch die
weltlichen Fürsten in der Reihe der Alchymisten.
Schon aus unserer Übersicht ersahen wir, dass Albertus
Magnus seine geistlichen Brüder vor der Alchymie warnte, und
später sahen wir sogar einen Jesuiten in Ingolstadt gegen die
Chymisten zu Felde ziehen. Indes waren dies zunächst nur
vereinzelte Stimmen. Erst später, bei fortschreitender Kirchen
zucht einerseits und der Entwicklung der Chymie zu einer
mehr weltlichen Macht andererseits verschwindet die Alchymie
aus den Klöstern und geistlichen Kreisen, um später freilich