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sich zu gemeinsamen Arbeiten verbanden, hielten die ihnen
bekannten Geheimnisse der chymischen Kunst auf das Ängst
lichste vor aller Welt verborgen. Vielleicht greift man nicht
fehl, wenn man sich die Entstehung derartiger Gesellschaften
in der Weise denkt, dass eine solche zunächst nur einen
Meister der Alchymie und seine Gehilfen, die sich in Lehr
linge und Gesellen teilten, umfassten. Mögen wir nun einen
derartigen Krystallisationspunkt der chymischen Kunst eine
Schule oder aber geradehin eine Gesellschaft nennen, jeden
falls haben wir dabei eine wohlgegliederte Gruppe von Gleich
strebenden vor uns. Durch handschriftlichen Verkehr, durch
die sich rasch entwickelnde Literatur, sowie durch gelegent
lichen Besuch traten wohl die einzelnen chemistischen Werk
stätten zu einander in Beziehung. Das Wandern, um seine
Kenntnisse zu erweitern, Belehrung zu schöpfen, Erfahrung
zu sammeln, war damals überhaupt bei allen geistig Streb
samen an der Tagesordnung, zumal aber, wie leicht zu begreifen,
bei den chymischen Philosophen. Denn je ferner sich der ein
zelne Laborant von dem ersehnten Ziele, den Lapis der Weisen
zu finden, fühlte, desto begieriger ging er darauf aus, Einblick
in andere Laboratorien zu nehmen und dort für die glückliche
Präparation der Tinktur Wertvolles zu erspähen. War es nun
auch solch schweifendem Philosophen nicht schwer, wenn er
in eine fremde Stadt gelangte, zu erfahren, wo chymisch ge
arbeitet werde, so dürfte ihm der wirkliche Zutritt zum Schau
platz der hermetischen Kunst doch um so schwieriger geworden
sein. Denn solch ein Laboratorium umgaben Dornhecken, die
nur der »Kundige« durchdringen konnte. Wie bei anderen
handwerksmässigen Vereinigungen und Zunftbildungen sehen
wir auch bei den chymischen Laboranten frühzeitig den Ge
brauch von Passworten im Schwange, durch die sich solch an
klopfender Gast erst als zum Bau, zur Ordnung der chymischen
Philosophen und Laboranten gehörig ausweisen musste, ehe er
Einlass fand, wie denn auch die innere Ordnung durch die
schon oben erwähnte Organisation, die Einteilung in Meister,
Lehrling und Geselle nach uraltem Elandwerksgebrauch strikte
durchgeführt wurde. Und gerade der Umstand, dass das dem
Metier entlehnte Passwort: »rosaecrucis« sehr frühzeitig in Auf
nahme kam, dürfte den chymischen Laboranten vielleicht schon
zu einer Zeit den Namen der Rosenkreuzer verschafft haben,
als die eigentlichen rosenkreuzerischen Fraternitäten mit ihrem
spezifischen, symbolischen Charakter sich aus diesem heraus
noch gar nicht entwickelt hatten.
Dieser Entwicklungsprozess nun ist vielleicht einer der
interessantesten kulturgeschichtlichen Vorgänge, welche die
Menschheit kennt. Haben sich die ägyptischen, asiatischen und
griechischen Mysterien und Geheimbünde als eine esoterische