Full text: Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg: persönliche Erinnerungen

Das Kriegsjahr 1915 
144 
Die Ostseeunternehmung der Flotte wurde Ende August 
abgebrochen, da die Armee zu diesem Zeitpunkt keine Truppen 
für die weitere Ausnutzung des Eindringens unserer Flotte in 
den Rigaischen Meerbusen zur Verfügung hatte, und auf die 
Besitzergreifung Rigas zu diesem Zeitpunkt noch kein Wert 
gelegt wurde. Außer der erwünschten Gelegenheit, die Flotten 
mannschaften an den Feind zu bringen, waren die gemachten 
Beobachtungen über die Verhältnisse, mit denen die dortige 
Seekriegsführung zu rechnen hatte, für die zwei Jahre später 
erfolgende Eroberung der Baltischen Inseln von Wert. Auf 
unserer Seite war außer dem Verlust von leichteren Fahr 
zeugen beim Minensuchen nur der Panzerkreuzer „Moltke" 
Lurch einen Torpedotreffer am Bug beschädigt. Das Schiff 
erlitt dadurch einen Wassereinbruch von 450 Tonnen, konnte 
aber den Kaiser-Wilhelm-Kanal passieren und eine Reparatur 
werft in Hamburg aufsuchen, die den Schaden nach wenigen 
Wochen beseitigt hatte. 
Anfang September erfolgte ein Wechsel in der Besetzung 
der Stelle des Chefs des Admiralstabs auf Grund von Mei 
nungsverschiedenheiten über die U-Boots-Kriegführung zwi 
schen der Marine- und der Reichsleitung. Admiral Bachmann 
trat wieder in seine bis zur Ablösung des Admirals von Pohl 
innegehabte Stellung als Stationschef in Kiel zurück und wurde 
durch Admiral von Holtzendorff ersetzt. 
Dieser war seit Januar 1913 verabschiedet, nachdem er zu 
letzt die Flotte über drei Jahre geführt hatte. Ein glänzender 
Offizier, sehr regen Geistes, von großer Beredsamkeit und per 
sönlicher Liebenswürdigkeit, dabei ein vorzüglicher Seemann, 
der bei seinen sehr vielseitigen Kommandos auch auf eine unge 
wöhnlich große Fahrzeit im Ausland zurückblicken konnte. 
Seiner ritterlichen und verbindlichen Natur lag schroffes Auf 
treten nicht. Es war offenkundig, daß fein persönliches Ver 
hältnis zum Staatssekretär des Reichsmarineamts, Großadmi 
ral von Tirpitz, kein freundschaftliches war. Der Sache konnte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.