Das Kriegsjahr 1915
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Die Ostseeunternehmung der Flotte wurde Ende August
abgebrochen, da die Armee zu diesem Zeitpunkt keine Truppen
für die weitere Ausnutzung des Eindringens unserer Flotte in
den Rigaischen Meerbusen zur Verfügung hatte, und auf die
Besitzergreifung Rigas zu diesem Zeitpunkt noch kein Wert
gelegt wurde. Außer der erwünschten Gelegenheit, die Flotten
mannschaften an den Feind zu bringen, waren die gemachten
Beobachtungen über die Verhältnisse, mit denen die dortige
Seekriegsführung zu rechnen hatte, für die zwei Jahre später
erfolgende Eroberung der Baltischen Inseln von Wert. Auf
unserer Seite war außer dem Verlust von leichteren Fahr
zeugen beim Minensuchen nur der Panzerkreuzer „Moltke"
Lurch einen Torpedotreffer am Bug beschädigt. Das Schiff
erlitt dadurch einen Wassereinbruch von 450 Tonnen, konnte
aber den Kaiser-Wilhelm-Kanal passieren und eine Reparatur
werft in Hamburg aufsuchen, die den Schaden nach wenigen
Wochen beseitigt hatte.
Anfang September erfolgte ein Wechsel in der Besetzung
der Stelle des Chefs des Admiralstabs auf Grund von Mei
nungsverschiedenheiten über die U-Boots-Kriegführung zwi
schen der Marine- und der Reichsleitung. Admiral Bachmann
trat wieder in seine bis zur Ablösung des Admirals von Pohl
innegehabte Stellung als Stationschef in Kiel zurück und wurde
durch Admiral von Holtzendorff ersetzt.
Dieser war seit Januar 1913 verabschiedet, nachdem er zu
letzt die Flotte über drei Jahre geführt hatte. Ein glänzender
Offizier, sehr regen Geistes, von großer Beredsamkeit und per
sönlicher Liebenswürdigkeit, dabei ein vorzüglicher Seemann,
der bei seinen sehr vielseitigen Kommandos auch auf eine unge
wöhnlich große Fahrzeit im Ausland zurückblicken konnte.
Seiner ritterlichen und verbindlichen Natur lag schroffes Auf
treten nicht. Es war offenkundig, daß fein persönliches Ver
hältnis zum Staatssekretär des Reichsmarineamts, Großadmi
ral von Tirpitz, kein freundschaftliches war. Der Sache konnte