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Englands zweierlei Moral
leicht gerade dadurch geschützt werden sollten. Daß die Luft
schiffsbesatzungen sich selbst der höchsten persönlichen Gefahr
aussetzten, um für ihr bedrängtes Vaterland zu kämpfen, gilt
dem Engländer nichts. Gewohnt, den Krieg durch seine Söld
ner, meist im Auslaild, führen zu lassen, betrachtet er jede per
sönliche Beeinträchtigung seines Behagens als Verstoß gegen die
Menschlichkeit und erhebt einen ungeheuren Lärm, um Stim
mung für seine Sache zu machen. Ein Beispiel hierfür bietet
auch das englische Verhalten im Minenkrieg.
Auf der zweiten Haager Friedenskonferenz erhob der eng
lische Delegierte Satow lebhaften Widerspruch gegen Aufnahme
einer Bestimmung, die das Legen von Minen in freier See zu
gestand, wegen der Gefahren, die für die neutrale Schiffahrt
geschaffen würden. Trotzdem verseuchten die Engländer ein
weites Seegebiet vor dem Ostausgang des Englischen Kanals.
Hier stand ihnen der Kriegszweck höher als ihr früherer Grund
satz und die Rücksicht auf die Neutralen. Unser Minenkrieg an
der englischen Küste wurde als höchstes Verbrechen verschrien,
obwohl er sogar in den Haager Abmachungen ausdrücklich zu
gelassen war. Dieselbe Heuchelei über das, was die Kriegs
raison dem einen oder dem andern zubilligt, finden wir leider
auch in der englischen Fachliteratur. Wenn die englische Flotte
es nicht für nötig hält, trotz ihrer unzweifelhaften Überlegen
heit an Zahl an die deutsche Küste heranzugehen, so ist dies nach
englischer Auffassung gut und recht. Wenn die schwächere
deutsche es aber unterläßt, offenbare militärische Fehler zu be
gehen, so ist dies Mangel an Mut. Wenn die englische Flotte,
wie wir später sehen, in der Schlacht trotz doppelter Überlegen
heit doppelt so große Verluste erleidet wie der schwächere Geg
ner, so erklärt man das doch für einen englischen Sieg. Wo
bleibt da schließlich die Vernunft? Doch nach dieser Abschwei
fung zurück zur Sache.
Eine der ersten Unternehmungen des neu aufgestellten
Operationsprogramms hatte den Erfolg, in der Nacht vom 10.