Einleitung
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Das Verhalten einer Großmacht, die ihre Seeintecessen
schutzlos preisgegeben hätte, wäre ebenso unwürdig und ver
ächtlich gewesen wie die entehrende Feigheit einer Einzel
person, aber auch noch höchst unpolitisch dazu, weil sie in
völlige Abhängigkeit von seemächtigeren Staaten geraten
mußte. Das beste Heer verlor an Wert, wenn Deutschland
mit der Achillesferse eines ungeschützten nach Milliardenwerten
zählenden Außenhandels behaftet blieb.
Obgleich schon aus der Bescheidenheit in unseren kolonialen
Ansprüchen die Absicht des Wettbewerbs auf friedlichem Wege
hervorging, ist es unserer Politik nicht gelungen, den Argwohn
Englands zu beseitigen: aber bei der Verschiedenheit der 'An
sprüche beider Völker, die in ihren Weltanschauungen wurzelt,
wäre es wohl auch einer größeren, als der aufgewendeten
diplomatischen Kunst nicht gelungen, die Gegensätze so weit
zu überbrücken, daß uns ihre Austragung mit den Waffen
erspart blieb.
Gab es etwa noch eine andere Möglichkeit, uns den not
wendigen Schutz gegen Angriffe zur See zu verschaffen, die
nicht den herausfordernden Charakter trug, wie er in England
dem Bau unserer Hochseeflotte beigelegt wurde? So volks
tümlich der Wunsch nach einer deutschen Flotte seit langen
Zeiten gewesen ist, so wenig Vorstellung hat doch der Durch
schnittsdeutsche vom Wesen der Seemacht und ihrer Be
tätigung, was bei dem gänzlichen Mangel einer eigenen See
kriegsgeschichte nicht zu verwundern ist. Es wird daher nötig
sein, zur Beantwortung der Frage, ob wir uns nach Lage der
Verhältnisse, in die sich das neue Deutschland gestellt sah, dir
passende Seerüstung gewählt haben, auf die Eigenart des See
krieges etwas näher einzugehen.
Es galt als ein anerkannter, aus der Kriegsgeschichte be
wiesener Grundsatz, daß der Kampf zur See darauf gerichtet
sein muß, die Seeherrschast zu erringen, d. h. alle Widerstände