Rechtlosigkeit der Neutralen
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haben sich die Engländer auch nicht getäuscht, und in dem
Sicherheitsgefühl, das Meer zu beherrschen, trafen sie ihre
Maßnahmen, ohne jede Rücksicht auf die Rechte der neutralen
Mächte, von denen sie doch keinen ernsthaften Widerstand zu
befürchten brauchten, so, wie es für die völlige Abschließung
Deutschlands am zweckmäßigsten war. Mit der Kriegsgebiets
erklärung ließen sie den alten Begriff der Blockade fallen, weil
Minen und Unterseeboote die reguläre Durchführung einer
effektiven Blockade unmöglich machten. Damit war für den
Engländer die Blockade abgetan, und er führte eine seiner
Ansicht nach zeitgemäße und deshalb berechtigte Neuerung ein,
ohne sich um den Einspruch der Neutralen im geringsten zu
kümmern.
Daß das Wesen des Seekrieges darauf gerichtet ist, den
feindlichen Seehandel zu zerstören, ist für englische Begriffe so
selbstverständlich, daß auch alle Mittel, die dazu dienen kön
nen, recht sind. Ihre Durchführbarkeit fußte aus der Mach!
der englischen Flotte, an welcher die neutralen Proteste unbe
achtet abprallten. Durch diesen Krieg ist offenkundig geworden,
daß es eine Täuschung war, wenn die Neutralen glaubten, dem
seemächtigen England gegenüber für ihre Schiffahrt im Kriegs
gebiet dieselben Rechte beanspruchen zu können, welche Eng
land sich für den Fall seiner eigenen Neutralität durch die
seerechtlichen Bert, äge gesichert hatte. Diese Rechte der Neu
tralen sind nichts anderes als Ansprüche, die ein seemächtiger
Staat für den Fall ausnutzen möchte, daß er einmal nicht zu
den Kriegführenden gehört und seine Geschäfte auch im Kriegs
gebiet weiter betreiben will, unbekümmert darum, ob eine
der kriegführenden Parteien darunter zu leiden hat.
So lagen die Verhältnisse zwischen uns und Amerika. Na
türlich mußte für solche Ansprüche der äußere Schein des Rechts
gewahrt werden. Dazu muß dann dieses oder jenes Schlag
wort herhalten, das gerade die meiste Zugkraft auszuüben ver
spricht.