Full text: Träumereien an französischen Kaminen: Märchen

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/hundert Jahr oder mehr ist's wohl schon her, daß der Blitz in sie einschlug 
' und sie von oben bis unten auseinandcrspelltc, und ebensolange schon geht 
der Pflug über die Statte; — früher aber stand einige hundert Schritte vor dem 
erste» Hause des Dorfes auf einem grünen Rasenhügel eine alte mächtige Buche; so 
ein Baum, wie jetzt gar keine mehr wachsen, weil Tiere und Menschen, Pflanzen 
und Baume immer kleiner und erbärmlicher werden. Die Bauern sagten, sie stamme 
noch aus der Heidcnzcit, und ein heiliger Apostel sei unter ihr von den falschen 
Heiden erschlagen worden. Da hatten die Wurzeln deo Baumes das Apostel 
blut getrunken, und wie es ihm in den Stamm und die Aesic gefahren, sei er 
davon so groß und kräftig geworden. Wer weiß, ob's wahr ist? Eine eigene 
Bewandtnis aber hatte cs mit dem Baum; das wußte jeder, klein und groß, im 
Dorf. Wer unter ihm einschlief und träumte, des Traum ging unabwcislich in 
Erfüllung. Deshalb hieß er schon seit undenklichen Zeiten die Traumbuche, und 
niemand nannte ihn anders. Eine besondere Bedingung war jedoch dabei: wer 
sich zum Schlaf legte unter die Traumbuche, durfte nicht daran denken, waö er 
wohl träumen würde. Tat er es doch, so träumte er nichts wie Krims-Krams 
und verworrenes Zeug, aus dem kein vernünftiger Mensch klug werden konnte.
	        
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