Paranoia chronica.
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l. Paranoia chronica.
Aetiologie: Meist lässt sich Heredität oder eigenartige Ver
anlagung nachweisen: auch geistige Minderwertigkeit. Gelegenheits
ursachen spielen geringere Rolle, am ersten noch Alkoholismus,
Haft, seelische Erschütterungen. In jugendlicherem Alter kommt
das Leiden kaum vor. Widersprechende Behauptungen der Kranken
(Paranoia originaria) beruhen wohl auf Erinnerungstäuschungen.
Beginn: Die Krankheit entwickelt sich schleichend,
fast unmerklich, im Laufe von Jahren und fällt meist erst
auf, wenn sie schon eine gewisse Höhe erreicht hat. Häufig
gehen allgemeine nervöse Beschwerden und misstrauische
Aengstlichkeit dem manifesten Ausbruche vorauf. Hypo
chondrische Vorstellungen, innere Unruhe und Menschen
scheu machen sich bemerklich. Der Kranke bringt alles
in Beziehung zu seiner Person, fühlt sich überall unbehag
lich, zuriiekgesetzt und schlecht behandelt. Er wechselt
womöglich öfter Wohnsitz und Stellung auf Grund keimender
Beeinträchtigungsideen.
Verlauf: Der Kranke glaubt sich überall beobachtet.
Man spricht über ihn, sieht ihn sonderbar an, macht ihm
Andeutungen usw. ln der Zeitung wird über ihn geschrieben.
Er hört „Stimmen“. Halluzinationen können auch auf den
anderen Sinnesgebieten auftreten. Es kommt zur Ent
wicklung eines fixierten, unerschütterlichen Wahn
systems bei Erhaltung von Orientierung und
formaler Ordnung des Gedankengangs: vor allem
Beziekungs- und Verfolgungswahn; manchmal auch Grössen
ideen. Mit fortschreitendem Ausbau des Systems vollzieht
sich eine allmähliche Umwandlung der ganzen Persönlichkeit.
Prognose: Meist unheilbar: Das Wahnsystem dauert das
ganze Leben an. Doch ist zeitweises Zurücktreten der krankhaften
Erscheinungen möglich. Wirkliches Schwinden der Wahnideen ist
so selten, dass hier der Verdacht auf Fehldiagnose sich aufdrängt.
Immerhin sind abortive Formen beschrieben worden. (Siehe
zirkumskripte Autopsychose S. 104.)
Therapie: Bei Gemeingefährlichkeit (Bedrohung der ver
meintlichen Verfolger oder sonstigen Verkehrtheiten) Anstalts
verwahrung.
Untersuchung auf Paranoia chronica.
Anamnese: Heredität? Wie lange bestehen schon
Wahnideen? Aeussere Ursachen?
Status som.: Nichts Charakteristisches.