Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Die epileptischen Seelenstörnngen. 
(Genuine) Epilepsie. 
Unter Epilepsie verstehen wir eine chronische Erkran 
kung des Gehirns, die durch öfter wiedelkehrende Krampf 
anfälle und Bewusstseinsstörungen in Erscheinung tritt und 
meist allmählich zur Abnahme der geistigen Fähigkeiten 
und Charakterveränderung führt. Auf ihrem Boden können 
jederzeit akute Psychosen entstehen. 
Aetiologie: Zu unterscheiden genuine und symptoma 
tische Epilepsie. Bei letzterer bedeutet die Epilepsie selbst nur 
ein Symptom, ist Ausdruck eines Allgemeinleidens (Vergiftung, 
Infektion usw.) oder tritt im Verlaufe der verschiedensten orga 
nischen Gehirnprozesse auf, wie Tumor, Lues, Dementia paralyticä 
usw. Aber auch die sogen, genuine Epilepsie bildet keine 
klinische Einheit; ein Teil ihrer Fälle dürfte mit Fortsehreiten 
unseres Wissens zur symptomatischen Epilepsie geschlagen werden. 
Für Genese der genuinen Epilepsie sind von Bedeutung: Here 
dität, Alkoholismus und Lues der Eltern, ferner Meningitis, Ence 
phalitis, Rachitis, Infektionskrankheiten, besonders Typhus, Kopf 
trauma, Alkohol, Bleivergiftung, syphilitische Infektion. (Zu 
unterscheiden Spasmophilie der Kinder S. 5.) 
Beginn: Meist zeigen sich erste Symptome in der Jugend, 
wie Krämpfe, Bettnässen, Schwindel, Ohnmächten, Schlaf 
wandeln, Pavor nocturnus, Wutausbrüche, Verwirrtheits 
zustände. Nach den ersten Krämpfen im Säuglingsalter 
ist jahrelanger Stillstand mit ganz vereinzelten Anfällen 
und Wiederausbruch in der Pubertät möglich. Selten ist 
erstes Auftreten im späten Alter (Spätepilepsie, meist durch 
Arteriosklerose, hier manchmal Häufung kleiner Anfälle: 
Pyknoepilepsie.) 
Verlauf: Zeitweises Auftreten von Krampfanfällen, 
Petit mal und den später zu besprechenden Bewusstseins 
störungen. Anfälle können serienweise gehäuft sein. 
Prognose: Heilung ist sehr selten. Häufiger gelingt es bei 
vorsichtiger Lebensweise, die Zahl der Anfälle zu beschränken. 
In der Mehrzahl der Fälle bildet sich allmählich Demenz aus: 
Abnahme von Urteilsfähigkeit, Gedächtnis, sittlichen Vorstellungen, 
Entwicklung von Egoismus, Reizbarkeit, Neigung zu brutaler 
Zornmütigkeit, Bigotterie, Prahlsucht, grosse Umständlichkeit. 
Gelegentlich Tod im Anfall, besonders bei gehäuften Krampf 
anfällen (Status epilepticus). Sehr gehäufte kleine Anfälle 
können zu rascher Verblödung führen (siehe S. 89). 
Therapie: Vermeidung von Alkohol, starken Gewürzen, 
wenig Kochsalz und Fleisch, keine Bouillon. Regelmässige Dar-
	        
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