Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Anamnese. 
. Stets forsche man eingehend nach den näheren Umständen, 
unter welchen sich der später gewohnheitsmässige Hang zuerst 
entwickelt hatte. Selten handelt es sieh um richtigen Wandertrieb 
in epileptischen oder hysterischen Dämmerzuständen, häufiger um 
den Ausfluss einer krankhaften. Verstimmung oder um impulsive 
Handlungen. 
Kurzdauernde Verwirrtheitszustände mit nachheri- 
gem Erinnerungsverlust sind am häufigsten bei epileptischen 
und hysterischen Kindern, ferner beim Veitstanz (Chorea 
minor). Stets denke man an die Möglichkeit einer in Schiiben 
einsetzenden schizophrenen Erkrankung des Kindesalters. 
Zurückbleiben in der körperlichen und gei 
stigen Entwicklung kann bereits in abnorm spätem Er 
lernen von Gehen und Sprechen sich bemerkbar machen. 
Allerdings vollzieht sich die Entwicklung des Kindes indivi 
duell sehr verschieden. Im allgemeinen darf inan merken, dass 
Kinder mit etwa 1 Jahre zu laufen, mit 1 Ve Jahren zu sprechen 
anfangen. Viele lernen aber Sprechen früher als Gehen. Unrein 
lichkeit mit Urin und Fäzes sollte nach dem 4. Jahre nicht mehr 
vorhanden sein. 
Bei Mädchen ist immer nach dem ersten Eintritt der 
Menstruation zu fragen, nach etwa dabei beobachteten ner 
vösen und psychischen Störungen, nach Bleichsucht usw. 
In Deutschland stellen sieh die Menses am häufigsten um 
das 15. Jahr herum ein. Als Grenzen merke man sich ungefähr 
das 12. bis 17. Jahr. 
Krankhafte Fortdauer kindlicher Körperbildung nennt 
man Infantilismus (siehe S. 17 unter Status somaticus!). 
Auf psychischem Gebiete finden sich dabei alle Grade gei 
stiger Schwäche mit auffallend kindlichem Wesen. 
Charakter-Eigentümlichkeiten fallen häufig schon 
früh bei abnorm veranlagten Menschen auf, die später an 
Psychosen erkranken. 
Vor allem kommen die chronisch verlaufenden endogenen 
Geistesstörungen in Betracht. Nicht selten erfährt man, dass 
Patienten, welche an Paranoia und Schizophrenie erkranken, schon 
von Haus aus eigenwillig, verschlossen und scheu gewesen sind, 
sich als Kinder nicht" am Spielen beteiligt, die Einsamkeit auf- 
gesucht, niemals Freunde gehabt halsen. Bei Hysterischen hört 
man von grosser Launenhaftigkeit, bei Epileptischen von Zorn- 
mütigkeit und Wutausbrüchen. Schwachsinnige spielen lieber mit 
jüngeren Kindern. 
Ueber das Temperament in gesunden Tagen soll man 
sich unterrichten, um krankhafte Veränderungen desselben
	        
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