Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Beginn der Erkrankung. 
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Bei näherem Nachi'orschen stellt sich heraus, dass die ersten 
Anzeichen viel weiter zurückgelegcn haben. Andererseits neigen 
manche Paranoische dazu, ihre Erinnerungen zu fälschen und 
.frühere Erlebnisse im Sinne des Wahns umzudeuten, so dass es 
den Eindruck macht, als hätten sie schon vor vielen Jahren an 
Sinnestäuschungen und Wahnideen gelitten. 
Charakterveränclenuigeii fallen häufig der Um- 
gebungzuerst auf, wie masslose Reizbarkeit, prahlerische 
Selbstüberhebung, Schamlosigkeit und rücksichtsloser Egois 
mus, Lieblosigkeit und Misstrauen gegen die nächsten An 
gehörigen oder Verlust der gewohnten Energie, Apathie, 
Unlust zu jeder Tätigkeit, Willensschwäche, Entschlusslosig 
keit, Beeinflussbarkeit durch Fremde. Diese Erscheinungen 
können vorübergehend sein bei Verstimmungen oder dauernd 
als Ausdruck beginnender Demenz. 
Bei Verblödungsformen wie Dementia paralytica, arteriöse!cro- 
tiea, senilis verbinden sieh solche Charakterveränderungen mit 
deutlicher Abnahme der intellektuellen Fähigkeiten, während bei 
schizophrener Verblödung die Gemütsstumpfheit im Vordergründe 
steht, das Gedächtnis weniger leidet. 
Verfall der Geisteskräfte zeigt sich in Urteils 
schwäche, Kritiklosigkeit', Vergesslichkeit, Gedächtnislücken, 
Stumpfheit, Verlust aller höheren Interessen und der sitt 
lichen Gefühle. 
In den vorgeschrittensten Fällen sinkt der Kranke auf die 
geistige' Stufe eines kleinen Kindes herab, kann nicht für sich 
selbst sorgen, verunreinigt sich mit Kot und Urin, zeigt schliesslich 
nur noch für die Nahrungsaufnahme Interesse (vor.-..allem bei 
Dementia paralytica). 
Verstimmungen können heiter oder traurig sein. Sie 
linden sich flüchtig und wechselnd bei den verschiedensten 
Krankheiten (Epilepsie!), von längerer Dauer und gleich- 
mässiger Färbung bei manisch-depressivem Irresein. Euphorie 
(kolossal gehobenes Glücksgefühl oder stumpfes Behagen)' 
ist bei Dementia paralytica häufig. Ein depressives Vor 
stadium mit neurästhenischen Beschwerden leitet gern die 
Dementia paralytica, senilis und arteriosclerotica ein. 
Nach Taedium vitae forsche man stets, um der Ge 
fahr eines Selbstmordes Vorbeugen zu können. Lebensüberdruss 
findet sich in erster Linie bei Zuständen trauriger Verstimmung 
mit Angst. Besonders gefährlich sind plötzliche heftige Angst 
anfälle (Raptus meläncholicus). Oft sitzt die An^st in der Herz 
gegend, geht mit Beklemmungsgefiihl und Herzklopfen einher.
	        
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