Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

s 
Aphasie. 41 
zeigen, obgleich Aphasie fehlt! Vielfach hilft es den Kranken, wenn 
sie ausser dem Gesicht einen zweiten Sinn zu Hilfe nehmen dürfen, 
z. B. den Schlüssel betasten, an der Uhr horchen (optische Aphasie). 
Man soll sich daher, während man Aufforderungen an sie richtet, 
anfangs den Mund verdecken, damit sie die Lippenbewegungen nicht 
sehen. Gelegentlich bleibt das Zahlenverständnis relativ gut er 
halten, und Geldstücke werden richtig benannt. 
Ferner lasse man einfache Figuren nachzeichnen, nach Kopie 
und Diktat schreiben, laut lesen. Oefters bleibt allein die Unter 
schrift zu schreiben möglich. 
Die sogenannte innere Sprache prüft man bei den moto 
rischen Aphasieformen zweckmässig, indem man dem Patienten 
kompliziertere Aufträge erteilt: Er soll von einem Kartenspiel die 
einzelnen Karten auf den Tisch legen und jede 6. Karte um 
wenden. Er soll von zwmi roten und einer blauen Karte die eine 
rote Karte auf die Erde werfen, die zweite dem Untersucher geben, 
die blaue in die Tasche stecken. Er soll dreimal an die Wand 
klopfen, dann die Türe öffnen, schliessen, einmal um den Stuhl 
herumgehen und sich setzen. Gibt der Kranke an, zu wissen, wie 
das Wort heisst, und es nur nicht aussprechen zu können, so 
mag man ihm auftragen, mit den Fingern zu zeigen, wieviel Silben 
das Wort hat. (Indessen gehört hierzu eine gewisse Schulbildung.) 
.Oder man spreche die Buchstaben vor und lasse daraus das Wort 
bilden, was selten gelingt und auch bei blosser Demenz unmöglich 
sein kann. (Grasheys Phänomen.) 
Alexie nennt man die Unfähigkeit zu lesen, meist verbunden 
mit sensorischer Aphasie, seltener isoliert (vergl. Agnosie,'S. 42). 
Amusie nennt man den Verlust des Verständnisses für Musik. 
(Ueber Agraphie siehe S. 42.) 
Aphasie kann durch die verschiedensten Gehirnläsionen 
hervorgerufen werden (Apoplexie, Embolie, Trauma. Tumor, 
Abszess usw.). Als länger dauerndes Symptom findet es sich 
vor allem bei Arteriosklerose des Gehirns mit Thrombose 
und Erweichungen (Arteriosklerotische Demenz und Dementia 
senilis); mehr anfallsweise besonders bei Dementia paralytica, 
Lues cerebri, Hirnarteriosklerose; ferner in epileptischen 
Verwirrtheitszuständen und ganz vorübergehend nach epilep 
tischen Anfällen. 
Als Perseveration bezeichnet man die Erscheinung, 
dass Kranke mit Aphasie, aber auch sonst benommene 
und ermüdete Patienten (z. B. im postepileptischen Zu 
stande), bei verschiedenen, aufeinanderfolgenden Fragen die 
einmal gegebene Antwort immer wiederholen, an dem be 
treffenden Worte förmlich kleben. So bezeichnen sie z. B. 
mit „Messer“ nacheinander ein Messer, eine Uhr, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.