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Aber auch dann nach trat die Frau ein, besorgte das Geschäft,
lind der Mann setzte sein Studium fort, um selbst eine Leuchte
zu werdeil in Israel.
An das Wanderleben der Bachurim anknüpfend, möchte ich
zugleich an die eigenthümliche und bemerkenswerthe Erscheinung
verschiedener anderer Wandergruppen der bamatigen Zeit er
innern, die kein unbedeutender Faktor in der Geschichte ihrer
Glaubensgenossen waren. Jil erster Reihe wären die Wander-
rabbiner und dann die Wandercantoren zu erwähnen, die
von Ort zu Ort zogen; die Ersteren um Vorträge zu halten,
die Andern, um in Begleitung von zwei oder drei Sängern
Gastrollen in den Synagogen zu geben. — Auch Wanderlehrer
gab es, die Weib uub Kind zu Hause ließen, uild sich dort
aushielten, wo und wie lange sie gerade Beschäftigung fanden.
Diesen ähnlich waren die Zehngebotschreiber. Dann kamen
diejenigen, die sich durch deil Hausirhandel im Schweiße ihres
Angesichtes ihr Brot verdienten, und zuletzt die Wanderbettler,
die heimathlos in der Welt umherzogen, um von Almosen zn
leben und entweder nirgends bleiben wollten oder nirgends
geduldet wurden.*)
Alle diese Zugvögel waren in einem gewissen Sinne gern
gesehene Gäste; sie waren die wandernde Chronik für die in
ihrer Abgeschiedenheit lebenden Gemeinden, brachten Neuig
keiten aus den fernsten Gegenden und bildeten sozusagen ein
Bindeglied der zerstreuten Judenheit. Jeder Zugereiste wurde
am Sonnabend oder Festtagen umsonst verpflegt. Er erhielt
vom Vorsteher der Gemeinde zn diesem Behufe eine Anweisung
— Plätt (Billet) genannt — bei irgend einem Ansässigen, und
jeder betrachtete es als einen besonderen Akt der Wohlthätig
keit, am Freitag Abend aus der Synagoge einen fremden Gast
mit nach Hause zn bringen.
So wird es auch ungefähr in der Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts in Breslau ausgefehen haben.
*) ©übemann, Gesch. d. Erziehungsw. Ul. 175 und Berthold Auer
bach, Dichter und Kaufmann.