Full text: Zeitbilder aus der Geschichte der Juden in Breslau

15 
sich ein neues Heim zu gründen suchten, aber es ist ihnen trotz 
der verlockendsten Versprechungen seit dieser Zeit weder eine 
lebenslängliche noch erbliche Niederlassung gestattet worden.*) 
Der Ausenthalt wurde nur von Zeit zu Zeit verlängert: geschah 
das nicht, dann waren sie heimathlos und konnten den Wander 
stab ergreifen. Aber was sollten sie machen? Anderswo war 
es ja auch nicht anders, und da ihnen keine Wahl blieb, rich 
teten sie sich so gut ein wie sie konnten. Im Jahre 1353 
hatten sie sich wieder ein Gemeindewesen hergestellt und der 
Rath war so entgegenkommend, ihnen eine ihrer eigenen Syna 
gogen für 50 Mark jährlich zu vermischen. Sie hatten wieder 
ihren Rabbiner und andere Kultusbeamte, und obgleich in dieser 
Zeit kein besonderer Werth auf das Studium gelegt wurde, fehlte 
es doch an Talmudschülern nicht, denn gelernt wurde immer. 
In erster Reihe kam allerdings die Sorge ums liebe Brod. 
Sie suchten und fanden ihr Auskommen, zahlten pünktlich ihre 
Steuern und es vergeht eine lange Zeit, ohne daß wir etwas 
Besonderes über sie erfahren. Was konnte man auch von 
ihnen hören, wenn sie nicht zufälliger Weise verfolgt wurden? 
Die Wege zur Auszeichnung waren ihnen alle versperrt, es 
blieb ihnen nur der niedrige Erwerb, und dieses lange 
Schweigen rührt vielleicht nur daher, weil die andere Bevöl 
kerung gerade mit sich genug zu thun hatte. Ich möchte nicht 
behaupten, daß sie sich nie hätten etwas zu schulden kommen 
lassen und nicht ihre Fehler hatten, wie andere Menschen auch, 
sie hätten ja Engel sein müssen und seit der Sintfluth giebt 
es bekanntlich keine mehr auf Erden: aber daß sie ihre Vorzüge 
hatten, welche ihren Zeitgenossen als Vorbild hätten dienen 
können, wird Niemand in Abrede stellen, und daß ganz be 
sonders das jüdische Familienleben nachahmenswertst sei, räumen 
uns sogar unsere besten Feinde ein. 
Das Jahrtausende alte Lied vom biederen Weibe ist ein 
jüdisches; das biedere Weib war immer die Krone ihres Mannes 
und das Ideal jüdischer Häuslichkeit. Aber dasselbe können 
wir leider nicht von dem Familienleben der Nichtjuden der 
*) Oelsner, Urkunden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.