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sich ein neues Heim zu gründen suchten, aber es ist ihnen trotz
der verlockendsten Versprechungen seit dieser Zeit weder eine
lebenslängliche noch erbliche Niederlassung gestattet worden.*)
Der Ausenthalt wurde nur von Zeit zu Zeit verlängert: geschah
das nicht, dann waren sie heimathlos und konnten den Wander
stab ergreifen. Aber was sollten sie machen? Anderswo war
es ja auch nicht anders, und da ihnen keine Wahl blieb, rich
teten sie sich so gut ein wie sie konnten. Im Jahre 1353
hatten sie sich wieder ein Gemeindewesen hergestellt und der
Rath war so entgegenkommend, ihnen eine ihrer eigenen Syna
gogen für 50 Mark jährlich zu vermischen. Sie hatten wieder
ihren Rabbiner und andere Kultusbeamte, und obgleich in dieser
Zeit kein besonderer Werth auf das Studium gelegt wurde, fehlte
es doch an Talmudschülern nicht, denn gelernt wurde immer.
In erster Reihe kam allerdings die Sorge ums liebe Brod.
Sie suchten und fanden ihr Auskommen, zahlten pünktlich ihre
Steuern und es vergeht eine lange Zeit, ohne daß wir etwas
Besonderes über sie erfahren. Was konnte man auch von
ihnen hören, wenn sie nicht zufälliger Weise verfolgt wurden?
Die Wege zur Auszeichnung waren ihnen alle versperrt, es
blieb ihnen nur der niedrige Erwerb, und dieses lange
Schweigen rührt vielleicht nur daher, weil die andere Bevöl
kerung gerade mit sich genug zu thun hatte. Ich möchte nicht
behaupten, daß sie sich nie hätten etwas zu schulden kommen
lassen und nicht ihre Fehler hatten, wie andere Menschen auch,
sie hätten ja Engel sein müssen und seit der Sintfluth giebt
es bekanntlich keine mehr auf Erden: aber daß sie ihre Vorzüge
hatten, welche ihren Zeitgenossen als Vorbild hätten dienen
können, wird Niemand in Abrede stellen, und daß ganz be
sonders das jüdische Familienleben nachahmenswertst sei, räumen
uns sogar unsere besten Feinde ein.
Das Jahrtausende alte Lied vom biederen Weibe ist ein
jüdisches; das biedere Weib war immer die Krone ihres Mannes
und das Ideal jüdischer Häuslichkeit. Aber dasselbe können
wir leider nicht von dem Familienleben der Nichtjuden der
*) Oelsner, Urkunden.