Full text: Zeitbilder aus der Geschichte der Juden in Breslau

46 
tive verdanken die Breslauer Inden die neue Aera ihrer Ge 
schichte: „Er entwarf ein Reglement, welches die Verbesserung 
der Judenschaft zum Zwecke hatte und erhielt dafür die aller 
höchste Bestimmung." Die junge, aber strebsame Vereinigung 
der Gesellschaft der Brüder begrüßte dieses humane Entgegen 
kommen mit Freude, sie legte Hand an's Werk, um den seit 
Jahrhunderten angehäuften Schutt der Mißbräuche wegzuräumen, 
und um Ordnung zu schaffen in ihrem religiösen und socialen 
Leben. 
In erster Reihe sollte das alte Erziehungswesen, welches 
tns aus die niedrigste Stufe gesunken war, abgeschafft werden, 
um neues Licht zu bringen in die Wohnungen der Unterdrückten. 
Das Uebel mußte an der Wurzel gefaßt werden und das 
Cheder — die damalige Schule — für immer aufgehoben 
werden. Man muß es mit eigenen Augen gesehen haben, um 
zu wissen, was dieses Wort bedeutet. 
„Ein enges, niederes, licht- und lustarmes, unsauberes, 
mit Staub bedecktes iinb mit Spinngewebe drapirtes Behältniß, 
worin kleine und größere Kinder in gedrückter Stimmung kunter 
bunt durch einander zusammengepfercht sitzen und welches zu 
gleich Wohn- und Schlafstätte der Lehrerfamilie bildet, ist das 
Cheder, und der Erste Beste hergelaufene polnische Glaubens 
genosse, der oft auch zugleich Vorbeter und Schächter der Ge 
meinde war, war der Mann, dem man die Erziehung der Kinder 
anvertraute, um die Saat der Tugend und des Wissens in 
ihre jungen Herzen zu streuen. Der in den meisten Fällen von 
Kummer und Roth gedrückte Mann, denn sehr einträglich war 
eine solche Stellung nicht, konnte mit den armen Kindern 
machen, was er wollte. Kein Mensch kümmerte sich um ihn, 
höchstens wenn er es in seiner Züchtigung, die oft an das 
Bestialische grenzte, gar zu arg machte,- denn nur auf diese Art 
glaubte er sich Gehorsam und Ordnung zu verschaffen. Er 
beschäftigte sich abwechselnd mit einem Kinde, das er zu sich 
rief, und während dieser Zeit konnten die andern Kinder machen, 
was sie wollten. Und was wurde da gelehrt? Hebräisch 
lesen, das Uebersetzen des Gebetbuches, des Pentateuch mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.