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den leisesten Wink in den paradiesesgleichen Garten, und
da der Gärtner gemäß dem Worte „Ehret eure Gäste“ ihn
freundlich behandelte, so wurde dadurch das Band ihrer
Liebe fest, und auf dem Boden ihrer Herzen sproßte das
Reis der Zuneigung.
J edesmal,wenn der Gärtner müde war und sich im Schat
ten eines Baumes ausruhte, stand der Bär liebevoll neben
seinem Kopfe und jagte ihm die Fliegen weg. Eines Tages
schlief der Gärtner wieder in gewohnter Weise und der
Bär verscheuchte die Fliegen. So oft er sie auch verjagte,
immer kehrten sie wieder. Schließlich wurde er zornig,
nahm einen schweren Stein und warf ihn, um die Fliegen
zu töten, dem armen Bauern auf den Kopf. Die Fliegen er
litten keinen Schaden davon, aber der Gärtner starb daran.
Deswegen sagt man: „Ein kluger Feind ist besser als ein
dummer Freund.“
53. DER UNWISSENDE ARZT
Heilkunde ausübte und für sich Geschicklichkeit
M in seiner Kunst in Anspruch nahm. Er war so un
wissend, daß er nicht einmal Kopfschmerz von Gicht un
terscheiden konnte und in der Zusammensetzung seiner
Mittel heilbringende Arzneien und todbringende Gifte mit
einander verwechselte. In der Stadt, wo er seinen Laden
aufgetan hatte und wie ein Engel des Todes die Saat der
Vernichtung ausstreute, war auch ein verständiger Arzt,
der in seiner Kunst wohlerfahren war und durch seine
glücklichen Kuren wie Jesus durch seinen Atem die Men
schen zu neuem Leben erweckte. Aber, wie es so oft in
dieser bösen Welt geht, daß die Klugen von dem Tisch der
Güter des Lebens leer ausgehen und die Untüchtigen sich
vollfüllen, so hatte dieser Mann, der so geschickt wie Ga-
lenus und Hippokrates war, kein Glück, während der Ruf
des anderen sich immer mehr ausbreitete.