18*
275
Der König der Stadt hatte eine Tochter, die an Schön
heit wie eine Sonne strahlte. Diese hatte er seinem Bruder
sohn verlobt, und die Hochzeit war jetzt mit königlichem
Pompe gefeiert worden. Und aus der glücklichen Vereini
gung dieser beiden Sterne war in der Muschel ihres Leibes
eine prächtige Perle entstanden. Als die Zeit der Geburt
nahte, hatte sich ein Hindernis eingestellt, und man mußte
sich an einen Arzt wenden. Man rief den klugen Arzt in den
Palast und als man ihm die Krankheit beschrieben und
ihn gebeten hatte, schnell ein Mittel zu geben, hatte er auch
ein für den kranken Körper passendes Heilmittel bereit
und sagte: „Diese Krankheit kann mit einem Medikament
geheilt werden, das Mahran heißt, nämlich so: Nehmt ein
Viertel Dirhem 37 davon, zerstoßt es und siebt es durch ein
Seidentuch, vermischt es mit etwas Moschus und Aloe,
kocht es und gebt es zu trinken, sofort wird die Krankheit
verschwinden und völlige Genesung eintreten. Das Medi
kament ist in der königlichen Apotheke vorhanden. Es be
findet sich in einer Flasche von reinem Silber, die mit
reinem Golde verschlossen ist. Ich habe sie aber wegen
meiner Kurzsichtigkeit nicht finden können.“
Nun war auch der unwissende Arzt anwesend und sagte:
„Ich kenne dies Medikament und habe auch Erfahrung in
der Mischung und Bereitung.“ Auf Befehl des Königs ging
er in die Apotheke und suchte die beschriebene Flasche.
Da es aber verschiedene derartige Flaschen gab, so konnte
er sie nicht unterscheiden. Er nahm ohne genauere Unter
suchung eine davon heraus. Diese enthielt nun nicht das
Mahran, sondern ein tödliches Gift. Er öffnete sie, ver
mischte das Gift in der vorgeschriebenen Weise, stellte die
Medizin her und gab sie zu trinken. Als die Kranke dies
bittere Gift getrunken, vergaß sie den Streit dieser Welt
und gab ihr Leben auf.
Als der König dies sah, schickte er aus Schmerz über die
Trennung Seufzer zum Himmel empor und gab den Rest
desTrankes dem unwissenden Arzte, der auch daran starb.