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so macht es viel Mühe den Becher zu füllen. Du mußt
hinaufklettern und sehen, ob dort irgendein Hindernis
für das Wasser ist, und den Becher füllen. Der Steigbügel
halter sagte: „Zu Befehl“ und stieg den Berg hinauf. Da
sah er eine Quelle, die nur tropfenweise Wasser gab und
vor der Quelle lag eine tote große Schlange und durch die
Einwirkung der Sonne war sie verwest und ihr Gift hatte
sich mit dem Wasser vermischt und rieselte den Berg
hinab. Der Steigbügelhalter lief erschreckt und bestürzt
den Berg hinunter, nachdem er vorher seine Feldflasche
mit dem kalten Wasser gefüllt hatte, und erzählte dem
König, was er gesehen. Der König erquickte sich an dem
kühlen Wasser, während aus seinen Augen Tränen flössen.
Der Steigbügelhalter fragte ihn nach dem Grunde der
Tränen. Der König erzählte die Geschichte und sagte: „Ich
weine darüber, daß ich den Falken zu unrecht getötet
habe.“ Der Steigbügelhalter erwiderte: „0 König, dieser
Falke hat dich vor einem großen Unglück bewahrt, und
das ganze Volk des Landes ist ihm zu großem Danke ver
pflichtet. Es wäre besser gewesen, wenn der König nicht
so eilig gewesen wäre, ihn zu töten und wenn er die Glut
seines Zornes mit dem Wasser der Milde gedämpft hätte.“
Der König antwortete: „Ich bereue meine Handlung, aber
die Reue nützt nichts und, so lange ich lebe, werde ich
stets durch Gewissensbisse gequält werden.“
60. DIE RÄUBER UND DIE KRANICHE
n der Stadt Rakka lebte ein Derwisch, der reich an
lobenswerten Tugenden und schätzenswerten Eigen
schaften war, mit Namen Danadil. Alle Leute in der
Stadt liebten ihn.
Einst entschloß er sich, die Pilgerreise nach Mekka zu
machen, und trat ohne Freund und Genossen die Reise
durch die Wüste an. Unterwegs beabsichtigten einige
Räuber ihn zu töten, da sie bei ihm Geld vermuteten. Als
Danadil ihre Absicht merkte, sagte er: „Ich habe nicht