19 Türkische Märchen
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Wachen und Boten ausgeschickt. Alle Räuber wurden er
griffen und erfuhren die Vergeltung nach dem göttlichen
Recht für ihre Untat.
61. DIE MUTTER UND DIE KRANKE TOCHTER
E ine alte Frau hatte eine wunderschöne Tochter,
die plötzlich sehr krank geworden war. Die Mut
ter war immer am Bette der Tochter, vergoß
Ströme von Tränen und sagte, indem sie voll
Trauer zum Himmel blickte: „Liebes Kind, du bist mein
alles. Wie gerne würde ich mein Leben für dich dahin
geben. Nur mit dir babe ich Freude am Leben. Ohne dich
nützt mir das Leben nichts. Ich will gern sterben, wenn
du nur gesund wirst.“ So betete sie Tag und Nacht und
war bereit, sich für ihre Tochter zu opfern.
Nun hatte die alte Frau eine schwarze Kuh. Diese war
vom Felde heimgekommen und in die Küche gegangen.
Angelockt durch den Geruch der Mahlzeit, hatte sie den
Kopf in den Kessel gesteckt und alles, was sie fand, ausge
fressen. Als sie den Kopf wieder herausziehen wollte, konnte
sie den Kessel nicht loswerden und wurde dadurch ganz
aufgeregt. Die alte Frau, die von diesem Vorgänge nichts
wußte, hörte gegen Abend eine schreckliche Stimme und sah
diese merkwürdige Erscheinung. Da dachte sie, es sei der
Todesengel, der gekommen sei, um ihre Tochter zu holen.
Infolgedessen sagte sie unter Jammern und Wehklagen:
„Engel des Todes, ich bin nicht die Kranke. Ich bin eine
alte Frau. Die Kranke ist meineTochter. Deren Seele hole.“
62. DER MANN MIT DEN ZWEI FRAUEN
E in Mann hatte zwei Frauen, die eine war alt, die
andere zart wie ein Rosenblatt. Er selbst war
über die Zeit der Jugend hinaus, und sein Haar
und Bart fingen an grau zu werden. Er liebte
beide Frauen und behandelte die eine wie die andere der
art, daß er die eine Nacht bei der einen und die andere