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diesen dreien, d. h. den Gemahl, den Geliebten oder den
Dieb, haltet ihr für den größten Ehrenmann?" Der eine
von ihnen erwiderte: „Meiner Ansicht nach dürfte der
Gemahl der größte Ehrenmann sein.“ Der zweite erwiderte:
„Der Geliebte dürfte es sein“, und der dritte meinte: „Der
Dieb.“
Als der Kadi diese Antworten der Prinzen gehört hatte,
sprach er zu demjenigen von ihnen, welcher gemeint hatte,
daß der Dieb der größte Ehrenmann sei, die Worte: „Du
hast wahr und richtig gesprochen. — Du hast dir die
Schachtel mit den kostbaren Edelsteinen genommen; also
gib sie her, denn der Geliebte hilft dem Geliebten, der
Biedere dem Biederen und der Dieb dem Diebe!“
Der Prinz, welcher seiner Tat überführt war, brachte be
schämt die Schachtel mit den Edelsteinen und gab sie hin.
65. DER UNSICHTBARE TURBAN
“f—s gab einst einen großen König. Eines Tages kam
H 'zu ihm ein Mann und sprach: „König, ich will
Jeinen Turban weben, welcher dem legitimen
— 1 —^ Sohne sichtbar, dem illegitimen aber nicht sicht
bar sein soll.“ Der König wunderte sich sehr über diese
Rede und ließ sich von ihm den Turban weben. Der junge
Mann bezog nun vom Könige zur Bestreitung der Kosten
das nötige Geld, ging in einen Laden und hielt sich da ei
nige Zeit auf. Eines Tages faltete er die eine und die andere
Seite eines Papiers zusammen, nahm es und brachte es vor
den König. Er sprach: „0 König, siehe, ich habe dir den
Turban gewebt.“ Der König öffnete das Papier und sah,
daß nichts darin war. Alle Vezire und Fürsten, welche zu
gegen waren, erblickten ebenfalls in dem Papiere nichts.
Da sprach der König zu sich: „Siehst du, da muß ich wohl
ein Bastard sein.“ Alle Vezire und Fürsten waren sehr be
stürzt, daß sie auch Bastarde sein sollten. Der König
sprach nun zu sich: „Ich kann mir nicht anders helfen,
als das ich sage: ,Ein schöner Turban, er gefällt mir.“ Dar