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„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir!" Er
wird in die Acht erklärt; sein Churfürst schreibt: „Wie soll ich
Dich schützen? Wo willst Du bleiben?" Und die Antwort:
„Ich will Dich schützen mit meinen Gebeten! Ich werde
bleiben im Himmel oder unter dem Himmel. Tödten sie
mich, so komme ich in den Himmel; lassen sie mich leben, so
wird Gott mir eine Stelle ans Erden anweisen!" Wahrlich,
aus dem kindlich glaubenden Knaben, aus dem zweifelnden
Jünglinge ist ein Mann geworden, in dessen Herzen der
weltüberwindende Glaube lebt und regiert. Wir merken, daß
wir einen Diener, ja einen König des Grats vor uns haben!
Dieser Hinweis ans einzelne Züge ans Luthers Leben
möge genügen, um zu beweisen, daß uns in der Lebens
geschichte des Parcivat die innere Entwickelungsgeschichte des
Christen in ihren Hauptzügen dargestellt ist. Mit einem
Forscher auf dem Felde der Literatur können wir daher
sagen: „Parcival ist der Mensch, mitten inne gestellt zwischen
Welt lind Geist, zwischen Sünde und Gott; er ist der suchende,
irrende, der Welt verfallende, Gott absagende, hochmüthige
und trotzige Mensch; er ist der umkehrende, den Hochmuth
durch Demuth besiegende, der nach dem Höchsten, km Geist
lichen und Ewigen fragende, der zum seligen Frieden, zum
geistlichen Königthume gelangende Mensch!" Dürften wir
vielleicht hinzufügen: „Als solcher ist er auch das Urbild der
Völker, ja der Menschheit?" Welch ein Trost würde für uns
in dieser Wahrheit enthalten sein! Einst ergriff gerade unser
theures deutsches Volk das dargebotene Heil mit kindlicher Lust
und Freude in eben der Zeit, in welcher unsere Sage und andere
christliche Dichtungen deutscher Zunge entstanden. Wenn nun in
unsern Tagen das deiitsche Volk in mancher Beziehung dem irren
den, ringenden Parcival gleicht, so dürften wir ja vielleicht hoffen,
daß bald die Stunde schlägt, in der es demüthig zu seinem Gott
zurückkehrt, um dann im gereinigten, selbstständigen lind bewähr
ten Glauben ihm mit der That und in der Wahrheit 311 dienen!