Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

§ 2. Kein geschaffenes Gut vermag den Menschen vollkommen zu beglücken. 125 
Diese Forderung ergibt sich unmittelbar aus dem Begriffe der voll 
kommenen Glückseligkeit. Endlich muß e) die Erreichung dieses höchsten 
Gutes in der Macht jedes Menschen stehen. Denn jeder hat 
in seiner Brust den unwiderstehlichen Glückseligkeitsdrang. 
Haben nun die geschaffenen Dinge einzeln oder in ihrer Gesamtheit 
die genannten Eigenschaften? Ein flüchtiger Blick auf dieselben wird 
uns leicht vom Gegenteil überzeugen. Die irdischen Güter lassen sich 
einteilen in äußere und innere. Außere, d. h. außerhalb des 
Menschen gelegene Güter sind Reichtum, Ehre, Macht und Ansehen; 
innere Güter sind die Güter des L e i b e s und der Seele. 
1. Die äußeren Güter werden u) nicht um ihrer selb st 
willen, sondern nur als M i t t e l zu höheren Gütern erstrebt. 
Die Reichtümer sind teils natürliche, teils künstliche. 
Zu den natürlichen Reichtümern gehören jene Güter, deren wir schon 
von Natur aus zu unserer Erhaltung und Entwicklung bedürfen, wie Klei 
dung, Nahrung, Wohnung, Acker, Herden u. dgl. Bei diesen ist es von 
selbst einleuchtend, daß sie nicht um ihrer selbst willen angestrebt werden, 
sondern nur als Mittel der Befriedigung unserer Bedürfnisse dienen 
sollen. Die künstlichen Reichtümer bestehen hauptsächlich in Geld. 
Auch dieses hat nur Wert, insofern es zur Erreichung natürlicher Reich 
tümer und anderer irdischen Vorteile dient. Gerade das ist der Grund 
der geheimnisvollen, fast dämonischen Gewalt des Geldes über das 
Menschenherz, weil es das sicherste Mittel zu allen äußeren Gütern, 
auch zu Freiheit und Unabhängigkeit, zu Ehre, Ansehen und Macht ist. 
Mit dem goldenen Schlüssel kann man alle Türen öffnen. Einen mit 
Gold beladenen Esel bringt man über alle Mauern, sagte König Philipp 
von Mazedonien. 
Ehre und Ruhm werden nicht um ihrer selbst willen er 
strebt. Zu unserem wahren Wert tragen sie nichts bei. Auch die höchsten 
Ehren und Auszeichnungen vermögen den Menschen nicht um ein Haar 
besser zu machen. Deshalb ist das Streben nach Ehre und Ruhm un 
geordnet, sobald es das Maß dessen überschreitet, was uns nach unserer 
wahren Beschaffenheit gebührt. Ruhm und Ehre sind der bloße Schatten 
der inneren Vorzüge, besonders der Tugend. 
Macht, Ansehen, einflußreiche Stellung sind nur Mittel, 
um das Wohl der Menschen zu fördern. Dem König ist die Macht nicht 
um seiner selbst willen verliehen, sondern zum Besten der Untertanen. 
Ähnlich ist auch jede andere irdische Macht und Würde nur das Werk 
zeug zu höheren Gütern. Außerdem läßt sich die Macht zum Bösen 
mißbrauchen; die Glückseligkeit aber ist das höchste und vollkommenste 
Gut des Menschen.
	        
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