Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

§ 3. Gott, der notwendige Gegenstand der menschlichen Glückseligkeit. 1Z1 
über alles Geschaffene und Endliche hinaus. Der eigentliche Formal 
gegenstand unseres Verstandes ist nicht dieses oder jenes besondere Sein, 
sondern das Sein als solches, und deshalb wird der Verstand erst befrie 
digt ruhen, wenn er alles Sein und alle Wahrheit vollkommen erkannt 
hat. Wo findet sich nun alle Wahrheit vereint? Nur in Gott, der wesen 
haften Wahrheit, dem letzten Quell und Grund aller Wahrheit. Nur er 
allein vermag also den Drang unseres Verstandes nach Wahrheit voll 
kommen zu befriedigend 
Der Verstand bleibt ferner nicht bei den Erscheinungen der Dinge 
stehen, er hat ein natürliches Verlangen, die Dinge aus ihren Ur 
sachen und Gründen zu begreifen. In diesem Streben findet er erst 
dann vollkommene Befriedigung, wenn er die letzte, allgemein ste 
Ursache aller Dinge, soweit ihm möglich, vollkommen erfaßt 
hat. Diese letzte und allgemeine Ursache aller Dinge ist aber Gott, aus 
dem alles Sein hervorgeht und zu dem auch alles als zum letzten Ziele 
zurückstrebt. Nur die vollkommene Erkenntnis Gottes vermag also den 
Verstand völlig zu befriedigen. 
Dem Verstände entspricht der W i I l e. Wie der Verstand nur im voll 
kommenen Besitze aller Wahrheit, so kann der Wille nur im vollkom 
menen Besitze alles Guten vollkommen glücklich werden. Alles Gute 
findet sich aber nur in Gott, dem unendlich Guten, dem Quell und Ur 
grund aller geschaffenen Güter. Alle endlichen Güter sind nur insoweit 
gut, als sie an der unerschaffenen Güte Gottes teilnehmen. Nur der Be 
sitz Gottes allein vermag deshalb den nach allen Gütern dürstenden Wil 
len vollkommen zu befriedigen. Nach ihm geht das sehnsüchtige Streben 
und Ringen des menschlichen Herzens „Wie Zugvögel, die nach der 
Sonne ziehen, so treiben unsere Seelen zu Gott, unserer Sonne" (Luise 
Hensel). 
3. Der hl. Thomas gibt uns noch einen weiteren tiefsinnigen 
Grund für unsere Behauptung 3 . 
Alle geschaffenen Dinge haben von Natur die m ö g l i ch st e Ver 
ähnlichung mit Gott zum Ziele ihres Strebens. Denn sie haben 
1 S. Thom., C. gent. 1. 3, c. 50: Nihil finitum desiderium intellectus 
quietare potest, quod exinde ostenditur, quod intellectus quolibet 
finito dato aliquid ultra molitur. 
2 Dieser Gedanke kehrt beim hl. Augustin und beim hl. Thomas oft wieder: 
Quod concupiscentia numquam satietur, ratio est, quia cor hominis 
factum est ad recipiendum Deum. Unde dicit Augustinus 
in 1.1. Confess. c. 1: „Fecisti nos Domine ad te, et inquietum est cor nostrum, 
donec requiescat in te.“ Id ergo quod minus Deo est, ipsum implere non 
potest; Ps. 102: Qui replet in bonis desiderium tuum (S. T h o m., Opusc. in 2 
praecepta caritat. c. 28). 
3 Contra gent., II, 25. 
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