Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

1. Art. § 1. Die Lehre der Moralskeptiker. 
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von ihm abhängen. Wie im Deutschen vielfach „sittlich" für „sittlich 
gut" gebraucht wird, so bedeutet auch die sittliche Ordnung häufig bloß 
die Gesamtheit der Normen, mit denen das sittliche Handeln überein 
stimmen soll. In diesem Sinne sagen wir, eine Handlung entspreche 
oder widerspreche der sittlichen Ordnung. 
Zweites Kapitel. 
Der Moralpositivismus. 
Sittlich ist die Handlung, welche aus dem freien Willen unter 
Leitung der auf die Sittennorm achtenden Vernunft hervorgeht. Stimmt 
die Handlung mit dieser Norm überein, so ist sie sittlich gut; wider 
spricht sie ihr, so ist sie sittlich schlecht; ist keines von beiden der Fall, 
so ist sie sittlich gleichgültig. Um zu bestimmen, welche Handlungen 
sittlich gut seien, haben wir also jetzt zu untersuchen, welches die N o r m 
sei, mit der die Handlung übereinstimmen muß, um gut zu werden. 
Diese Untersuchung hat jedoch für den Philosophen nur Sinn und 
Bedeutung, wenn sittlich gut und bös nicht willkürliche, nach Zeit 
und Ort wechselnde, sondern in der Natur der Dinge begründete und 
deshalb allgemeingültige Begriffe sind. Nun bestreiten aber die sog. 
Moralpositivisten diese Voraussetzung. Sie behaupten, es gebe 
keinen natürlichen Unterschied von guten und bösen Handlungen, 
dieser Unterschied beruhe bloß auf freier, positiver Einsetzung. 
Man unterscheidet zwei Klassen von Moralpositivisten. Die einen 
erblicken den letzten Grund des Unterschieds zwischen gut und bös in 
irgendeiner Veranstaltung der Menschen, die andern in der freien 
Bestimmung Gottes. Wir wollen die letztere Ansicht den t h e o - 
nomen Moralpositivismus nennen, die erstere dagegen den 
anthroponomen Moralpositivismus oder besser Moral 
skeptizismus, weil sie nichts als allgemein gut oder bös anerkennt 
und dadurch jede sichere Erkenntnis auf sittlichem Gebiete in Frage stellt. 
Er st er Artikel. 
Der Moralskeptizismus. 
Z 1. Die Lehre der Moralskeptiker. 
Wer überhaupt keine absolut sichere und unwandelbare Wahrheit 
annimmt, muß dieselbe auch für das sittliche Gebiet leugnen. Deshalb 
sind alle Skeptiker alter und neuer Zeit auch den Moralskeptikern bei 
zuzählen. Dem Skeptizismus nahe verwandt ist der moderne Rela- 
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