1. Art. § 1. Das stoische Moralprinzip des naturgemäßen Lebens. 223
Die Antwort kann nur lauten: Gott ist ein sittlich guter Gegenstand
für den Menschen, weil er als das höchste Gut und Endziel aller Dinge
der angemessenste, entsprechendste Gegenstand der Liebe der
vernünftigen Geschöpfe ist. Deshalb sagt der hl. Thomas allgemein:
prima bouitas actus moralis attenditur ex obiecto convenienti.
Ganz dieselbe Beweisführung läßt sich in bezug auf die Liebe zu
unserer Seligkeit und die Hoffnung auf sie anstellen. Diese
Akte sind gut, weil ihr Gegenstand, die ewige Seligkeit, gut ist. Warum
ist nun die ewige Seligkeit ein gutes Objekt für die Liebe oder Hoffnung
des Menschen? Etwa weil sie den Menschen zum Ziele führt oder mit
ihm harmoniert? Das ist unmöglich; denn die ewige Seligkeit führt
nicht zum Endziel, sondern ist das Endziel des Menschen. Man muß
also eine andere Definition aufstellen.
Viertes Kapitel.
Die unrichtigen oder ungenügenden Normen des Sittlichen.
Nachdem wir die wahre Norm des Sittlichen dargelegt haben,
wenden wir uns der Prüfung der unrichtigen Normen zu. Wir be
ginnen unsere kritische Wanderung mit den inneren objektiven
M o r a l p r i n z i p i e n, die der richtigen Norm am nächsten kommen,
dann wenden wir uns den inneren subjektiven Moral-
Prinz i p i e n zu und schließen endlich mit der Prüfung des Utilita
rismus in seinen mannigfaltigen Schattierungen. Wir betrachten
also die oben (188 f.) aufgezählten Moralsysteme in der umgekehrten
Reihenfolge.
Erster Artikel.
Die inneren objektiven Moralprinzipien.
§1.
Das stoische Moralprinzip des naturgemäßen Lebens.
Das höchste Gut des Menschen ist nach der Schule Zenos die Glück
seligkeit und diese besteht in der Tugend oder der naturgemäßen
Tätigkeit. Denn jedes Wesen strebt von Natur aus nach dem, was
non 88t autern ita amabilis Deus, quia amor, qui in ipsum tendit, rectus est,
sed e contrario: quia Deus de se ita bonus est et ita amabilis, ideo amor, qui
tendit in illum sub hac ratione rectus est; ergo haec bonitas obiectiva sup-
ponitur in ipso Deo, neque convenit illi per denominationem ab actu volun-
tatis, sed potius in suo genere est causa rectitudinis voluntatis.