Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

7. Buch. 1. Kap. Von der Sünde. § 1. Begriff und Wesen der Sünde. 503 
zweifelhaft die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat, die entgegengesetzte 
aufhöre, solid wahrscheinlich zu sein, geben wir nicht zu. Wir können 
in vielen Fällen überzeugt sein, daß die eine Ansicht, sowohl was die 
Autorität als die inneren Gründe angeht, an Wahrscheinlichkeit die ent 
gegengesetzte übertrifft, und trotzdem die Überzeugung haben, daß diese 
letztere noch solid wahrscheinlich bleibt. Es ließe sich leicht aus den Werken 
des hl. Alfons dartun, daß dieser große Moralist derselben Ansicht war. 
Derselbe hat überhaupt nicht die Absicht gehabt, ein wesentlich neues 
System aufzubringen, er wollte nur durch genauere Umgrenzung den 
Probabilismus vor der Gefahr des Mißbrauchs schützen x . 
Siebtes Buch. 
Schuld und Verdienst. 
Er st es Kapitel. 
Von der Sünde. 
§ 1. Begriff und Wesen der Sünde. 
Es bleiben uns noch zwei Eigenschaften zu betrachten, die sich aus 
der Gutheit und der Schlechtheit der menschlichen Handlungen ergeben: 
die S ü n d e und das V e r d i e n st. 
Viele Handlungen der Menschen sind schon ihrer Natur nach auf 
Grund ihres Objekts irgendwie gut oder böse, der Vernunft entsprechend 
oder widersprechend, auch wenn wir von jedem Gebot oder 
Verbot absehen. Gerade wegen dieser den Handlungen durch ihre 
Natur anhaftenden Gutheit oder Schlechtheit erkennen wir, daß Gott die 
guten Handlungen notwendig gebieten oder anraten, die bösen aber 
notwendig verbieten muß. Durch dieses Gebot oder Verbot er 
halten die Handlungen eine neue besondere Gutheit und Schlechtheit i n 
1 Wir haben dies eingehend nachgewiesen im Artikel: „Das Grundprinzip des 
Probabilismus" in der „Linzer Theol. prakt. Quartalschrift", 1905, 745 ff.; über die 
Einwendungen gegen den Probabilismus vgl. 0 a t h r e i n , Philosophia mo- 
ralis, n. 263. Uber die ganze Kontroverse zwischen Probabilisten und Aqui- 
probabilisten vgl. noch Lehmkuhl, Theol. mor.; I, n. 156 ft.; desselben Pro 
babilismus vindicatus (1906); Göpfert, Moraltheologie, I (1897), 167; 
Arendt, Apologeticae de aequiprobabilismo Alphonsiano a P. J. de Caigny 
exaratae Crisis, Friburgi 1897; desselben Aequiprobabilismus ab ultimo fun- 
damento discussus (1909). — Von den Verteidigern des Äquiprobabilismus nen 
nen wir besonders: de Caigny, Apologetica de aequiprobabilismo Alphon 
siano dissertatio, Tornaci 1894, und desselben De gemino probabilismo licito, 
Brugis 1901; Wouters, De Minusprobabilismo 1 2 .
	        
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