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Zahlen vor und nach Einführung des neuen Schemas der Todesursachen
(seit 1901) kann diese Neueinführung die Vergleichbarkeit der Zahlen
nicht beeinträchtigen 15 ). Die Zahl der Todesfälle an Krebsen und sonsti
gen bösartigen Neubildungen ist von rund 4% auf 7% in den letzten
14 Jahren gestiegen. Eine derartige Steigerung der Krebssterblichkeit
wurde auch in Sachsen beobachtet 1 “). Dort betrug sie
im Jahre 1873 2°/ 0 ,
„ „ 1891 3%,
„ „ 1903 4'6°/ 0
aller Todesfälle. Die Zunahme der Krebsfälle wird jedoch als nur schein
bar dargestellt, denn die Ziffern bedeuten die ärztlich beglaubigten Fälle,
deren Zunahme sich aus folgenden 4 Momenten erklären läßt:
1. Zunahme der Ärzte.
2. Einrichtung der Krankenkassen, Ausdehnung der Behandlung auf
die Familienglieder, gesteigerte Aufnahme in die Krankenhäuser, daher
sichere Diagnose, Zunahme der Operationen und Obduktionen.
3. Erhöhte Aufmerksamkeit der Ärzte und Laien für Krebs infolge
der aufklärenden Literatur darüber.
4. Sorgfältigere Ermittlung der Todesursachen durch fortschreitende
Entwicklung der Statistik der Todesursachen.
Ein großer Teil dieser Momente dürfte auch in Wien Geltung haben;
daher kann aus der Zunahme der Krebsfälle in der Statistik der Todes
ursachen noch nicht sicher auf größeres Umsichgreifen dieser Krankheit
geschlossen werden. Es kann auch die in der Bearbeitung für das König
reich Sachsen- ausgesprochene Vermutung, daß früher auch andere Er
krankungen, z. B. Krebs, infolge der Unsicherheit der Diagnose der
Tuberkulose zugezählt worden seien, für Wien als möglich angenommen
werden.
ln Kürze läßt sich das Ergebnis der vorliegenden Arbeit in folgender
Weise zusammenfassen: Obwohl Schlüsse auf die Zu- oder Abnahme der
Gefährdung und auf die besondere Gefährdung einzelner Berufsgruppen
nur mit Einschränkungen zuläßig sind, zeigt sich doch mit voller Deut
lichkeit die verhältnismäßig hohe Sterblichkeit der Berufsklasse Industrie
an den verschiedenen Arten der Tuberkulöse, namentlich der arbeitstätigen
männlichen Personen gewisser industrieller Berufsgruppen und der freien
Berufe an Lungentuberkulose, dann der Kinder von Personen der Berufs
klasse Industrie an Gehirntuberkulose, endlich die hohe Sterblichkeit der
nicht mehr berufstätigen Personen an Krebsen und sonstigen bösartigen
Neubildungen. * i * *
is) Die Zahl der Todesfälle an „sonstigen Neubildungen mit Ausnahme der bös
artigen und der nach dem Sitze eingereihten“, betrug 14 gegen 2321 an Krebsen und
sonstigen bösartigen Neubildungen im Jahre 1904.
i 6 ) Die Krebssterblichkeit im Königreiche Sachsen 1873—1903 von Georg Rade
stock in der Zeitschrift des königlich Sächsischen statistischen Landesamtes, 51. Jahr
gang 1905, Seite 262.