Anhang zum I. Buch.
, keinen Fortschritt der Rechtsphilosophie. Hierin
die Römer bloß die Erzeugnisse griechischer Bildung
angeeignet. Cicero, der Hauptschriftsteller in diesem Gebiete,
entlehnt alle Begriffe und Principien von Platon und Aristoteles
ohne irgend einen wesentlich neuen Gedanken. Selbst jenen,
der im Nationalbewußtseyn lebte, die subjektive Berechtigung,
bringt er nicht zur wissenschaftlichen Erkenntniß, ist sich hierin
nicht einmal des Gegensatzes gegen die Griechen bewußt. Die
Untersuchungen in seinen rechtsphilosophischen und politischen
Schriften*) drehen sich weitläufig um die beiden Fragen: die
Existenz eines natürlichen Sittengesetzes und die beste Staats
verfassung. Die Eristenz eines natürlichen Sittengesetzes (lex
aeterna) behauptet er, wie das auch schon von den Griechen
geschehen, namentlich gegenüber der Läugnung des Karneades;
aber er bleibt gleichfalls bei dem Allgemeinen stehen, daß die
Sitte überhaupt etwas Wahres, Selbstständiges, nicht ein Er-
zeugniß der Klugheit sey, und geht nicht dahin fort, sich auch
insbesondere mit der Existenz eines natürlichen Rechtsgesetzes
zu beschäftigen, was doch dem Römer so nahe gelegen hätte.
Auch die Untersuchungen über römische Staatsverfassung ruhen
auf der Basis der griechischen Staatswissenschaft, nur daß
Cicero der vaterländischen Umgebung gemäß zu dem Resul
tate kommt, die gemischte Verfassung, für die er die römische
hält, als die vollkommenste zu erklären. Auch die stoische Ethik
hat bei den Römern mehr eine eigenthümliche Stärke der Be
thätigung als eine eigenthümliche wissenschaftliche Fassung er
halten, und sie betrifft mehr die Seite der Moral als die Ordnung
des socialen Zustandes, die rechtsphilosophischen oder politischen
*) Es kommen hier besonders die beiden Schriften des Cicero: äs
rspubiisa und äs isgilms in Betracht.