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die nach unserer Kenntnis der Verhältnisse den Einfluß der
Arbeiterklasse zurückdämmen würde. Unser verstorbener Ge
nosse Auer, der uns heute leider fehlt, hat einmal uns Süd
deutschen den Rat gegeben, wie wir uns in solchen Fällen
zu verhalten haben. Er sagte, wir sollten denken: Esel seid
ihr zwar, aber ich füge mich! Dieser gutgemeinte Rat, dessen
eine Hälfte vielleicht manchem sympathisch ist, entspricht
nicht der heutigen Situation. Ich bitte Sie im Namen der
Einigkeit, die wir brauchen und die wir wollen : Treiben Sie
es nicht zum Aeußersten! Wenn die Partei zerrissen würde
(Auf Zuruf) wir sind doch keine Kinder, die sich gegenseitig die
Schuld zuschustern wollen, wir sind hier beisammen, um ernst zu
beraten, was geschehen soll, um ein Unglück abzuwenden.
Wir würden mit Ihnen eine Zerreißung der Partei für ein Un
glück halten, nicht bloß für den Norden und den Süden, nicht
bloß für die Sozialdemokratie, sondern für die ganze politische
Entwicklung von Deutschland und Europa. Die Debatte, wie
sie bisher geführt ist, und die Resolution entspricht nicht dem
Geist, der sich des Ernstes der Lage bewußt ist. Wir alle
gehen davon aus, daß der Feind draußen steht und nicht
unter uns. Man hat eine Resolution vorgelegt, die man
sogar noch für milde hält, von der man gemeint hat, wir
Süddeutschen würden direkt verblüfft sein über die entgegen
kommende und gütige Form. Wir betrachten die Resolution
als das Gegenteil des Entgegenkommens, sie ist für uns durch
aus und unbedingt unannehmbar. Es ist schon hervorgehoben,
daß wir es nicht verstehen, warum in der Resolution nicht
auch andere Staaten mit aufgezäblt sind. Warum haben Sie
Gotha vergessen? Die Gothaer haben noch nach Lübeck
für das Budget gestimmt. In einer Situation, die nicht den
beiden von Bebel angeführten Fällen entspricht. Bock hat
öffentlich und bei unsern Besprechungen erklärt, man habe
in dem einen Fall für das Budget gestimmt, um die Stellung
eines Ministers zu stärken, weil ein reaktionärer Minister vor
der Tür gestanden habe.
Im anderen Falle wurde dem Budget zugestimmt, um die
Vorteile eines guten Domänenkaufs für den Staat einzusacken.
Diese beiden Fälle, die Ihnen beweisen, wie mannigfaltig die
Möglichkeiten sind, die dem parlamentarisch arbeitenden Ge
nossen entgegentreten können, werden weder von der Lü
becker Resolution in der engen Auslegung, die Sie ihr geben
wollen, noch in der heutigen Resolution vorgesehen. Ist es