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teivonstand gegenüber eine geordnete Vertretung hätten, damit
er nicht angewiesen wäre auf unverantwortliche Zwischen
träger. Es ist in den letzten Tagen oft bingewiesen auf den
Nürnberger Vereinstag von 1868, und von mancher Seite
wurde in nicht miß zu verstehender Weise mit dem Gedanken
gespielt, daß vielleicht Nürnberg, wo der Geburtstag der Partei
gefeiert wurde, eine traurige Bedeutung erhalten, könnte. Ich
bitte Sie, auch in der Geschichte zurückzublicken, aber nicht
so weit, ich bitte Sie, zurückzublicken auf das Jahr 1875,
auf das Jahr, in dem die deutsche Arbeiterklasse, die
bisher getrennt marschierte, sich vereinigt hat. Ich bitte
Sie, daran zu denken, daß damals ein Programm angenommen
wurde gegen den Rat unseres großen wissenschaftlichen Füh
rers Karl Marx, ein Programm, das sicherlich wissenschaft
lich mangelhaft gewesen ist. Aber damals haben unsere Ge
nossen Liebknecht und Bebel das unvergängliche historische
Verdienst gehabt, daß sie der Wissenschaft gegenüber die
Forderungen der Praxis und der deutschen Arbeiterschaft
durchgesetzt haben.
Ich hoffe, ich wünsche und erwarte vom Nürnberger Par
teitag, daß auch heute wieder die Genossen etwaige wissen
schaftliche Bedenken zurückstellen gegenüber der Forderung,
daß die deutsche Arbeiterklasse einig bleiben muß und soll.
An Leonie Meyerhof-Hildeck*)
Mannheim, 21. September 1908
Verehrte Freundin!
Schönen Dank für Ihren Brief! Ihr Lob steigt mir ge
waltig in den Kopf; denn Dichter sind bessere Propheten
als August Bebel. Ich hoffe, daß eine Spaltung sich vermeiden
läßt. Die Umformung der Partei wird sich in den nächsten
Jahren schnell und sicher vollziehen. ...
Also einstweilen herzliche Grüße
von Ihrem
Ludwig Frank
*) Schriftstellerin, Frankfurt a. M.