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damit moralische Verpflichtungen gegenüber dem Volke und
gegenüber der Geschichte. Es sind nun zwei Jahrzehnte ver
flossen, seit Wilhelm II. den preußischen und deutschen Thron
bestiegen hat, und wenn wir ruhig fragen: Was ist in dieser
Zeit geschehen, um die großen Versprechungen einzulösen,
die gemacht worden sind?, so lautet die Antwort recht nieder
schmetternd : Geschehen ist nichts, nichts, nichts!
Da ist kein Wunder, wenn der Kaiserrausch allgemach
verflogen ist und in den deutschen Gauen sich eine Art von.
Reichskatzenjammer bemerkbar macht. Wilhelm II. hat viel
zu viel und zu große Erwartungen von sich gehegt, er hat
es gewagt, ein politisches Genie wie Bismarck aus dem
Amte zu jagen. Der deutsche Kaiser wollte sein eigener Kanz
ler sein, seine Minister hat er eingeschätzt als Handlanger.
Von einem Handlanger kann man aber kein Meisterstück ver
langen, und seine Minister haben auch keine ausgeführt.
Aber von einem gekrönten Herrn selber verlangt man ein
Meisterstück. Es ist immer ein gefährliches. Experiment, wenn
Fürsten den Nachweis führen wollen, daß sie nicht durch
Zufall auf ihren Posten gekommen sind, sondern daß sie die
Besten, Tüchtigsten und Leistungsfähigsten seien. Der alte
Pfarrer Hansja'kob hat in einem Buche mit großem Humor
erzählt, daß ein alter badischer Markgraf sich seinem Volke
niemals gezeigt habe; wenn er durch die Lande gefahren
sei, habe er in einer großen, verschlossenen Kutsche ge
sessen, und wenn er durch die Berge des badischen Ober
landes fuhr, habe er sich nicht darum gekümmert, daß der'
Bürgermeister und die Gemeinderäte mit gekrümmtem Rücken
dagestanden, sondern er hat selbst nicht einmal die Nasen
spitze aus seiner Kutsche herausgesteckt. So blieben die
Bauern in stetem Respekt vor der geheimnisvollen Hoheit, die
in der Kutsche zum Dorf hinausrumpelte. Kaiser Wilhelm II.
hat diesen historisch bewährten Weg nicht eingeschlagen.
Er hat sich auf allen Gebieten versucht, um zu zeigen, daß er
der Beste sei im deutschen Volke. Er hat angefangen, zu
malen, — es gibt im Deutschen Reiche keinen einzigen Mann,
der die Ueberzeugung aus den Kunstwerken Wilhelms schöpfte,
daß er ein Napoleon sei. Er hat angefangen, Lieder zu kom
ponieren, angesichts deren wir nur sagen können: „O Aegir,
Herr der Fluten, verschone uns.“ Er hat einem Dirigenten
den Taktstock weggenommen und den Hohenfriedberger
Marsch dirigiert; er hat auf einem Schiffe eine Sonntpgspredigt